Elfenherz
einer halben Stunde an und sie wollte sich waschen.
Sie machte Papiertücher nass und wusch sich gründlich und schrubbte sogar ihren Slip mit Seife, bevor sie ihn feucht wieder anzog. Sie gurgelte mehrmals mit Leitungswasser. Als sie fertig war, setzte sie sich in eine Toilettenkabine, legte den Kopf an die bemalte Stahlwand und schloss die Augen. Die warme Luft aus den Heizungsschächten lullte sie ein. Nur ganz kurz, redete sie sich gut zu. Gleich stehe ich wieder auf.
Eine Frau mit dunklen Augen und einem schmalen Gesicht beugte sich über sie. »Pardon?«
Val fuhr auf und die Putzfrau wich mit einem Aufschrei zurück. Sie hielt den Wischmopp abwehrend vor sich. Betreten griff Val nach ihrem Rucksack und taumelte aus der Kabine. Sie drängte durch die Stahltüren, als die Platzanweiser im Anzug auf sie zukamen.
Desorientiert, wie sie war, merkte Val erst jetzt, dass es immer noch dunkel war. Hatte sie den Film verpasst? Wie lange hatte sie geschlafen?
»Wie spät ist es?«, fragte sie ein Pärchen, das versuchte, ein Taxi anzuhalten.
Die Frau schaute nervös auf die Uhr, als würde Val sie ihr gleich vom Handgelenk reißen. »Gleich drei.«
»Danke«, murmelte Val.
Obwohl sie weniger als vier Stunden im Sitzen auf einer Toilette geschlafen hatte, ging es ihr viel besser. Ihr war fast nicht mehr schwindelig, und ihr Magen knurrte hungrig von den Gerüchen eines asiatischen Restaurants, das offenbar die ganze Nacht geöffnet hatte. Sie ging dem Duft nach.
Ein schwarzer Geländewagen fuhr langsam neben ihr her. Die Scheiben wurden heruntergelassen, vorne saßen zwei Männer.
»Hey«, sagte der Typ vom Beifahrersitz. »Weißt du, wo diese bulgarische Disco ist? Ich dachte, sie wäre in der Nähe der Canal Street, aber jetzt sind wir irgendwie im Kreis gefahren.« Sein sorgsam gegeltes Haar war blond gesträhnt.
Val schüttelte den Kopf. »Die hat wahrscheinlich sowieso schon zu.«
Der Fahrer beugte sich zum Fenster vor. Er hatte dunkle Haare und dunkle Haut. Seine großen Augen schwammen. »Wir haben einfach Bock auf Party. Du auch?«
»Nein«, sagte Val. »Ich hole mir nur was zu essen.« Sie zeigte auf das pseudojapanische Dekor des Restaurants und war froh, dass es nicht mehr weit war. Dennoch war ihr klar, wie verlassen die Straßen bis dorthin waren.
»Ich hätte auch nichts gegen ein bisschen Bratreis«, sagte der Blonde. Der Geländewagen fuhr weiter, immer neben
ihr her, während sie weiterlief. »Na los, wir sind okay, keine Freaks oder so.«
»Jetzt hört mal zu« sagte Val. »Ich habe keinen Bock auf Party, klar? Lasst mich in Ruhe.«
»Okay, okay.« Der Blonde sah seinen Freund an, der zuckte die Achseln. »Sollen wir dich nicht wenigstens hinfahren? Es ist gefährlich, so allein hier herumzulaufen.«
»Danke, ich komme schon klar.« Val überlegte, ob sie davonrennen sollte, ob sie schnell genug wäre. Aber sie ging einfach weiter, als hätte sie keine Angst, als wären die zwei wirklich nette, besorgte Männer, die sie zu ihrer Sicherheit mitnehmen wollten. Sie hatte Beinwell in ihrem Schuh und Scharfkraut in der Tasche und eine Plastikhand unter ihrem Mantel, aber sie wusste nicht, ob ihr all das irgendwie helfen würde.
Als sie hörte, wie die Wagentüren mit einem Klick entriegelt wurden und das Auto langsamer fuhr, traf Val eine Entscheidung. Mit einem Lächeln wandte sie sich an das offene Fenster und fragte: »Wieso seid ihr eigentlich so sicher, dass ich nicht gefährlich bin?«
»Du bist bestimmt brandgefährlich«, sagte der Fahrer mit einem zweideutigen Lächeln.
»Und wenn ich euch erzähle, dass ich gerade einer Schlampe die Hand abgehackt habe?«, fragte Val weiter.
»Was?« Der Blonde sah sie verwirrt an.
»Jetzt echt. Willste mal sehen?« Val schmiss die Hand der Schaufensterpuppe durchs Fenster. Sie landete auf dem Schoß des Fahrers.
Der Geländewagen brach aus und der Blonde kreischte. »Scheißfreak?«, schrie der Blonde, als sie mit quietschenden Reifen davonfuhren.
Vals Herz schlug doppelt so schnell, als sie endlich in die sichere Wärme des Dojo trat. Mit einem Seufzer der Erleichterung setzte sie sich und bestellte eine große Schale dampfend heißer Misosuppe, kalte Sesamnudeln, triefend vor Erdnussglasur, und mit Ingwer gebratenes Hühnchen, das sie mit den Fingern aß. Als sie aufgegessen hatte, wäre sie am liebsten wieder eingeschlafen, direkt dort am Tisch.
Doch sie hatte noch einen Botengang vor sich.
Die Straße sah regelrecht verlassen aus,
Weitere Kostenlose Bücher