Elfenherz
könnte man auf den Gedanken kommen, die Hellen Höfe für gut und die der Nacht für böse zu halten. Doch würde man damit zwar nicht ganz falsch -, aber dennoch danebenliegen.«
Val erschauerte. »Soll ich diese Lieferungen allein erledigen? Oder kommt noch einer von den anderen mit?«
Seine goldenen Augen funkelten im Schein des Feuers. »Andere? Luis ist der einzige menschliche Bote, den ich je hatte. Meinst du sonst noch jemand?«
Val schüttelte den Kopf, weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte.
»Es spielt sowieso keine Rolle. Du sollst diese Aufgabe allein ausführen und nicht darüber sprechen, auch nicht mit... den anderen.«
»Gut«, sagte Val.
»Du stehst unter meinem Schutz«, sagte Ravus und gab ihr die Flasche. »Doch ich muss dir noch etwas über die Elfen sagen. Verweile nicht bei ihnen, und lehne alles ab, was sie dir anbieten, vor allem Speisen.« Sie dachte an den verzauberten Stein, den sie einem alten Mann zu essen gegeben hatte, und nickte grimmig und mit schlechtem Gewissen.
»Leg diesen Beinwell in deinen Schuh. Er wird dich absichern und deine Wanderung beschleunigen. Und nimm noch dieses Scharfkraut, das dich davor schützt, dem Zauber der Elfen zu erliegen. Du kannst es in die Tasche stecken.«
Val nahm die Kräuter, zog den linken Schuh aus und legte den Beinwell hinein. Sie spürte das Kraut an ihrem Strumpf, seltsam tröstend. Doch genau dieser Trost war ihr unheimlich.
Als sie wieder auf die Straße trat, zog das Garn an ihrem Zeigefinger an. Magie? Trotz allem musste sie lächeln, als sie in die so angezeigte Richtung loslief.
Als Val im Washington Square Park ankam, war es noch immer früh am Abend. Auf dem Weg dorthin hatte sie sich von dem gestohlenen Geld ein Schinkensandwich gekauft. Aber ihr war immer noch schlecht und sie konnte es trotz
ihres Hungers nur zur Hälfte hinunterwürgen. Sie hatte es sogar geschafft, sich das Gesicht an einem eiskalten Brunnen zu waschen, dessen Wasser nach Rost und Pennys schmeckte.
Die drei Flaschen mit dem unheimlichen Inhalt klirrten in ihrem Rucksack aneinander. Sie kamen ihr besonders schwer vor, weil sie so müde war. Am liebsten hätte sie eine Flasche entkorkt und probiert, was drin war. Sie sehnte sich nach der Kraft und der Furchtlosigkeit der letzten Nacht, aber ihre jetzige Erschöpfung machte sie vorsichtig, und sie ließ es sein.
Während sie durch den Park spazierte, vorbei an Studenten mit hellen Schals und Leuten, die zum Abendessen eilten oder ihre kleinen Hunde in Mäntelchen ausführten, fiel ihr auf, dass sie überhaupt nicht wusste, wonach sie Ausschau halten sollte. Der Faden zog sie zu einer Gruppe von Jugendlichen, die in teuren Skaterklamotten einen der inneren Zäune hochkletterten. Ein Junge mit schwungvollem Haarschnitt und tief hängender Jeans, Knieschonern mit Totenkopfmuster und Schachmuster-Vans gebärdete sich noch lauter als die anderen. Er stand auf der obersten Sprosse und schrie drei Mädchen etwas zu, die an einem dicken Baumstamm lehnten. Sie hatten nackte Füße und honigfarbenes Haar.
Der Faden führte sie zu den drei Mädchen und wickelte sich dann von selbst ab.
»Äh, hi«, sagte Val. »Ich glaube, ich hab etwas für euch.«
»Ich kann deinen Schutzschild riechen, dicht und süß«,
sagte die eine. Ihre Augen waren grau wie Blei. »Sei bloß vorsichtig, ein Mädchen wie du landet schnell unter dem Hügel. Wir würden dich mitnehmen und ein Stück Holz dalassen, das alle beweinen würden, weil sie zu dumm wären, den Unterschied zu erkennen.«
»Sei nicht so gemein zu ihr«, sagte die zweite und zwirbelte eine ihrer Locken. »Sie kann nichts dafür, dass sie blind und blöd ist.«
»Da«, sagte Val und drückte dem Mädchen, das nichts gesagt hatte, die Flasche in die Hand. »Seid artig und nehmt eure Medizin.«
»Ooooh, es kann sprechen«, sagte das Mädchen mit den grauen Augen.
Das dritte Mädchen lächelte nur und schaute den Jungen auf dem Zaun an.
Eine der anderen folgte ihrem Blick. »Der sieht gut aus«, sagte sie.
Val konnte die Mädchen kaum auseinanderhalten. Sie waren rank und schlank und ihr Haar wehte bei der kleinsten Brise. Mit ihren dünnen Anziehsachen und ohne Schuhe hätte ihnen kalt sein müssen, aber sie sahen nicht so aus.
»Willst du mit uns tanzen?«, fragte eins der Elfenmädchen Val.
»Er will mit uns tanzen.« Die grauäugige Elfe lächelte den lauten Skater breit an.
»Los, tanz mit uns, Botin.« Die dritte Elfe sprach zum ersten Mal. Sie klang
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