Elfenherz
zurückzukehren. Doch jetzt bin ich aller Freude beraubt, die dein Tod mir versprach.
Es muss so aussehen, als ob einer diese ganzen Elfen umgebracht hat, also warst du immerhin für eines gut. Niemand kann gut damit leben, wenn so etwas nicht aufgeklärt wird.« Mabry holte eine Phiole aus dem Schrank und roch daran. »Das muss reichen - meine neue Herrin ist ungeduldig und möchte, dass vor der Mittwinterwende alles erledigt ist. Siehst du nicht auch eine gewisse Ironie darin, dass nach dieser Zeit, nach all deiner Loyalität, ausgerechnet ich dazu auserkoren wurde, ihre Agentin am Unseligen Hof zu sein? Ich hätte nie gedacht, dass die Königin des Seligen Hofes eine eigene Doppelagentin haben wollte. Möglicherweise finde ich Gefallen daran, für Silarial zu arbeiten. Schließlich hat sie bewiesen, dass sie eine ebenso ruchlose Herrin ist wie meine eigene werte Königin.«
Val schob den Plastikvorhang zur Seite und kroch hindurch. Ravus’ Kopf war der Mauer zugewandt, wo Tamsons
Schwert hing, seine goldenen Augen waren trüb und in sich gekehrt. In seiner Brust klaffte ein tiefes Loch, halb bedeckt von seiner Hand, als würde er im Tod um etwas schwören. Das Zimmer roch nach einer seltsamen schweren Süße, die Val die Kehle zuschnürte.
Mir blutet das Herz.
Val bebte von Kopf bis Fuß, als sie aufstand. Mabry war ihr egal, alle Pläne, Verschwörungen und Ränke waren ihr egal, alles außer Ravus.
Sie konnte den Blick von dem Blut nicht abwenden, das an seinen Mundwinkeln klebte und seine Zähne rot färbte. Seine Haut war viel zu bleich; nur die grüne Farbe war geblieben.
Mabry drehte sich blitzschnell um. In der Schüssel lag das Stück Fleisch, das in Ravus’ Brust gehörte. Sein Herz. Val wurde beinahe von Schwindel übermannt. Sie wollte schreien, aber kein Laut kam aus ihrer Kehle.
»Luis«, sagte Mabry. »Dein Bruder wird bedauern, dass du meiner Gastfreundschaft so rasch müde wurdest.«
Val wandte sich halb um. Luis stand hinter ihr; in seinem Kiefer zuckte ein Muskel.
»Da ist ja auch meine Harfe.« In Mabrys Stimme schwang eine neckende Heiterkeit mit, die nicht zu der Umgebung passte, zu den zerstörten Möbeln und dem Blut. »Sieh mal, Ravus, was deine Diener mitgebracht haben. Ein bisschen Musik.«
»Warum sprichst du noch mit ihm?«, schrie Val. »Er ist tot, siehst du das nicht?«
Als er ihre Stimme hörte, drehte Ravus sacht den Kopf. »Val?«, stöhnte er.
Val zuckte zusammen und wich zurück, fort von seinem Körper. Er konnte unmöglich sprechen. Hoffnung stritt mit Schrecken und ihr wurde schlecht.
»Na los, Luis«, sagte Mabry. »Lass die Harfe erklingen. Ich bin sicher, dass er friedlicher sterben wird, wenn er Bescheid weiß.«
Luis zupfte eine Saite, und Tamsons Stimme hallte durch den Raum, während er von Neuem seine Geschichte erzählte. In dem Augenblick, als er das Wort »betrogen« aussprach, fiel das Glasschwert von der Wand. Es knackte tief innen unter der Oberfläche, wie Eis, das einen See bedeckt.
»Tamson«, sagte Ravus leise. Er hob den Kopf: ein harter Blick, hasserfüllt. Doch sein Arm war zu rutschig von seinem eigenen Blut, als dass er ihn länger hätte stützen können, und er fiel stöhnend zurück.
Mabry verzog böse den Mund und ging zu Ravus. »War das ein Anblick, dein Gesicht, als du das Schwert in seine Brust gerammt hast. Dein Haar wird als Saite meine Harfe zieren. Dann kannst du deine traurige Geschichte bis in alle Ewigkeit beklagen.«
»Lass ihn in Ruhe«, sagte Val und hob ein abgebrochenes Tischbein auf.
Mabry hielt das Herz hoch. »Erstaunlich, nicht wahr, dass Trolle eine Weile ohne ihr Herz überleben? Er hat vielleicht noch eine Stunde, wenn ich nicht nachhelfe, aber
ich werfe sein Herz auf den Boden, wenn du mir nicht aus dem Weg gehst.«
Val blieb stehen und ließ das Tischbein fallen.
»Sehr schön«, sagte Mabry. »Ich überlasse ihn deinen fähigen Händen.«
Ihre Hufe klapperten die Treppe hinunter, ihr Rocksaum wischte über die Stufen.
Val fiel neben Ravus auf die Knie. Er hob einen langen Krallenfinger und streichelte ihr Gesicht. Seine Lippen waren dunkelrot beschmiert. »Ich habe mir gewünscht, dass du kommst. Ich hätte es nicht tun sollen, aber ich tat es dennoch.«
»Sag mir, was ich dir bringen soll«, sagte Val. »Welche Kräutermischung.«
Er schüttelte den Kopf. »Dieses kann ich nicht heilen.«
»Dann hole ich dein Herz zurück«, sagte Val mit harter Stimme. Sie sprang auf, duckte sich durch den
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