Elfenkind
solche Inschrift besessen, die direkt zum Inhalt der Prophezeiung passte. Valentine würde über diese Entdeckung begeistert sein. Sie sollte sich das Pentagramm unbedingt selbst ansehen. Aber er wusste natürlich, dass das unmöglich sein würde.
«Das dachte ich mir. Und übrigens, wissen Sie eigentlich, wen Sie da gestern Nacht gerettet haben?», riss ihn die Stimme des Vampirjägers aus seinen Gedanken.
Frédéric erstarrte. Woher wusste d’Or von der Frau?
Der andere Mann erwiderte seinen Blick vollkommen ausdruckslos, ohne einen einzigen Hinweis darauf, was er von der Sache hielt. «Sie ist die Tochter eines Vampirjägers. Genau gesagt, des Jägers der Jäger schlechthin.»
Für eine Sekunde stockte Frédérics Atem und seine Muskeln spannten sich an. Alle Sinne waren in Alarmbereitschaft und seine Hand zuckte instinktiv, nach einer Waffe zu greifen. Nein, das konnte nicht sein. Sie durfte nicht … Sie nicht.
«Das kann nicht Ihr Ernst sein», zischte er.
Sein Gegenüber wirkte wenig eingeschüchtert von dem drohenden Tonfall. Im Gegenteil, er schien eher amüsiert über Frédérics wütende Reaktion.
«Oh doch. Aliénor ist die Tochter von Geoffrey Boux.»
Frédéric verlor seine mühsam kontrollierte Beherrschung und hieb mit der Faust auf den Altartisch. «Merde!»
Das fehlte ihm gerade noch! Diese geheimnisvolle junge Frau, die seine Gedanken und Gefühle mehr beherrschte, als ihm lieb war, war ausgerechnet die Tochter des größten und gefährlichsten Vampirjägers weit und breit.
«Allerdings sieht sie ihm nicht im Mindesten ähnlich. Oder sonst einem aus der Familie», fuhr d’Or in auffällig neutralem Tonfall fort.
Frédéric hob den Kopf. «Was wollen Sie damit sagen?»
D’Or zuckte mit den Schultern. «Ich weiß es nicht. Aber ich habe das Gefühl, dass mehr hinter der Sache steckt.»
Frédérics Gedanken rasten. Er musste dringend nach Hause und Nachforschungen anstellen. Er reichte dem anderen Mann kurz die Hand.
«Danke, Ryad. Ich weiß das zu schätzen.»
Ryad d’Or, Informant, Vampirjäger und rechte Hand Geoffrey Boux’ bei der paranormalen Einsatztruppe, nickte. «Passen Sie auf sich auf, Frédéric. Boux ist außer sich. Wer weiß, wozu er in diesem Zustand fähig ist.»
11
Grübelnd saß Aliénor mit ihrem Tagebuch auf dem Schoß im Bett. Inzwischen schwirrten neue Fragmente der Erinnerung in ihrem Kopf herum, die sie bisher niemandem erzählt hatte. Es waren keine Bilder, sondern entsetzliche Schreie, widernatürliches Lachen, Grölen, metallene Geräusche. Die Erinnerung jagte ihr Angst ein und ließ sie frösteln.
Die letzten Tage waren sehr schwer für sie gewesen. Wie eine Schlafwandlerin hatte sie sich zwischen ihrem Zimmer, dem Bad und den gemeinsam eingenommenen Mahlzeiten hin und her bewegt. Sie brachte allerdings kaum etwas herunter.
Die Beerdigung ihrer Freunde war ein weiteres schreckliches Ereignis gewesen und Aliénor war nur froh, dass ihr diesmal wenigstens ihre Mutter tröstend zur Seite gestanden hatte. Es schien ihr, als hätten die Eltern, Verwandten und Freunde der anderen sie alle vorwurfsvoll angesehen, als wäre es ein Verbrechen, dass sie überlebt hatte, die anderen aber nicht. Aber vielleicht hatte sie sich das auch nur eingebildet, denn das war der Gedanke, der sie selbst im Geheimen immer wieder quälte.
Ihr Vater hatte sie ins Präsidium beordert und dort hatte der hinzugezogene Polizeipsychologe noch einmal versucht, mit ihr den Abend zu rekonstruieren, jedoch ohne Erfolg. Er nahm dies vollkommen gelassen hin und bestätigte allerdings, dass eine Amnesie in dieser Situation durchaus natürlich sei. Der Schock sitze zu tief und das Gehirn versuche daher, durch eine Erinnerungsblockade die Lebensfähigkeit sicherzustellen.
Auf Aliénors Fragen, was denn genau passiert wäre, auf welche Weise ihre Freunde ermordet worden seien, erhielt sie keine Antwort.
Den Rat ihrer Mutter, selbst noch einmal zu einem Psychologen zu gehen und ihr Innerstes nach außen zu kehren, eventuell sogar mit Hypnose, hatte sie abgelehnt. Dann müsste sie auch von der mysteriösen Stimme in ihrem Kopf sprechen, von der sie inzwischen noch zweimal aufgeweckt worden war und jedes Mal hatte sie vorher diese schrecklichen Geräusche gehört. Vielleicht gab es eine Erklärung dafür, die beruhigend wäre. Aber was, wenn nicht? Vielleicht war sie verrückt? Dann wollte sie es lieber gar nicht wissen.
Sie wusste selbst, dass das keine Lösung war. Irgendwann würde
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