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Elfenkind

Elfenkind

Titel: Elfenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inka-Gabriela Schmidt
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sie sich damit auseinandersetzen müssen, aber nicht jetzt.
    Die Nachrichten des Regionalsenders ließen Aliénor aufhorchen. Sie drehte das Radio lauter, das auf einem Bord über ihrem Bett stand. Nichts. Kein Wort über den Mord im Dom, über die anderen Morde. Kein Wort über den Fortschritt der Ermittlungen. Sie runzelte die Stirn.
    In den ersten Tagen nach den Morden hatte die Tat natürlich für Schlagzeilen gesorgt. Viel erfuhr man allerdings nicht, da, wie es wörtlich hieß, eine Veröffentlichung weiterer Details leider im Augenblick nicht möglich sei, um die polizeilichen Ermittlungen nicht zu behindern.
    Sie wollte gerade wieder leiser schalten, als sie auf eine weitere Meldung aufmerksam wurde.
    … Wissenschaftler stehen vor einem Rätsel. Vor zwei Stunden brachen in San Francisco, Udine und Tokio fast zeitgleich Erdbeben aus, die zuvor nicht über die Seismographen erfasst worden waren. Die Beben erreichten Stufe acht auf der Richterskala …
    Aliénor machte den Ton leiser. Nachdenklich kaute sie am Ende des Stiftes, mit dem sie eben in ihrem Tagebuch geschrieben hatte. Es war ihr früher gar nicht aufgefallen, wie schnell die Medien zu anderen Themen übergingen. Kaum gab es neue Schreckensmeldungen aus der weiten Welt, waren die Morde den Reportern offensichtlich keine Zeile mehr wert. Es musste doch irgendjemanden – abgesehen von den Angehörigen – interessieren, welche neuen Erkenntnisse die Mordkommission hatte. Oder gab es wirklich keine?
    Zu gerne hätte sie ihren Vater zur Rede gestellt, aber sie bekam ihn kaum zu Gesicht. Im Übrigen war sie sich auch gar nicht sicher, ob sie sich überhaupt trauen würde, ihn zu fragen, wenn sie ihm gegenüber stand. In den letzten Tagen hatte er sich ihr gegenüber extrem zurückhaltend, ja geradezu kalt verhalten.
    War das schon immer so gewesen, fragte sie sich. Natürlich war er ihr gegenüber noch nie sehr herzlich gewesen, aber sie hatte es so sehr als sein normales Verhalten, als einen gewissen Grad an Unterkühltheit, als Teil seiner Persönlichkeit verinnerlicht, dass es ihr schon fast nicht mehr aufgefallen war.
    Schon wieder verspürte Aliénor das Bedürfnis, sich zu recken. Doch sie wusste, wenn sie dem nachgab, setzte augenblicklich der Schmerz ein. Sie würde wohl nicht um den Arzttermin herumkommen. Noch schreckte sie davor zurück.
    Ärzte waren ihr, nun vielleicht nicht wirklich unheimlich, aber zumindest doch fremd. Sie konnte sich kaum daran erinnern, mit ihrer Mutter zu den Routineuntersuchungen und Impfungen beim Kinderarzt gewesen zu sein. Wirklich krank war sie nie. Kein Schnupfen, kein Fieber, keine Kinderkrankheiten. Es war typisch, dass ihr Körper ausgerechnet jetzt widerspenstig wurde, wo sie wirklich andere Sorgen hatte.
    Zudem hatte sie einen seltsamen Heißhunger auf Honig in jeder Form entwickelt, der vollkommen widersinnig war. Pur, im Tee, auf Pudding, auf dem Frühstücksbrötchen oder als Bonbon. Sie hätte ja gedacht, dass sie es als Nervennahrung brauchte, aber da hatte sie bisher immer auf Schokolade zurückgegriffen und die fand sie zurzeit sogar eher widerwärtig.
    Seufzend legte sie den Stift aus der Hand. Natürlich konnte es nicht ewig so weitergehen. Vermutlich würde sie morgen dem Drängen ihrer Mutter nachgeben und wieder zur Uni gehen. Aber ohne Lara würde alles anders sein. Sie hatten die Vorlesungen gemeinsam besucht, für Prüfungen gelernt, sich gegenseitig zu Bestleistungen angespornt. All das würde ihr fehlen.
    Der Gedanke an ihre tote Freundin trieb ihr wie immer die Tränen in die Augen. Sie fühlte sich so einsam. Ihre beste Freundin, abgesehen von maman der wichtigste Mensch in ihrem Leben, war in dieser unseligen Nacht umgekommen, und all die anderen der Eternal Romantics, mit denen sie viel Freizeit verbracht und Spaß gehabt hatte.
    Ihre Mutter bemühte sich, Aliénor zu motivieren und zu einem Stück Normalität zurückzubringen. Aber wie sollte das gehen? Nichts war mehr wie zuvor.
    Ein leiser Windhauch ließ Aliénor zum Fenster hinübersehen. Der Vorhang aus dünnem, fast transparentem Stoff bauschte sich zwischen den offen stehenden Fensterflügeln. Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, den Vorhang dazwischen zuzuziehen. So strömte zwar frische Luft herein, aber es konnte niemand von der gegenüberliegenden Häuserreihe in ihr Zimmer hineinsehen. Natürlich war es albern, aber irgendwie fühlte sie sich beobachtet.
    Sie seufzte wieder. Ja, irgendwann würden diese verwirrenden

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