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Elfenkind

Elfenkind

Titel: Elfenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inka-Gabriela Schmidt
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verfügte.
    Er betrachtete sie weiter, auch wenn er sich dafür verachtete. Er hätte sie nicht ohne ihr Wissen so beobachten dürfen. Er wusste das, wusste es mit jeder Faser seines Herzens. Und doch wandte er sich erst ab, als sie aufstand und anfing, sich auszuziehen. Soviel Selbstbeherrschung und Ehre blieb ihm noch: Er würde sie nicht wie ein geiler Nachbarsjunge begaffen, während sie sich fürs Bett fertig machte.
    Langsam wich er zum Fenster zurück. Es war an der Zeit, leise und ungesehen in der Nacht zu verschwinden.

13
    Diese Nacht war nicht irgendeine. Die Konjunktion der Planeten war ungewöhnlich, geradezu prädestiniert für unerwartete Ereignisse. Bestimmt würden die Medien am nächsten Tag überall auf der Welt von neuen Schreckensnachrichten gefüllt sein. Ein Erdrutsch dort, ein Taifun da, verheerende Blitzeinschläge auf allen Erdteilen. Die Serie der Katastrophen riss nicht ab. Zu viele, zu desaströs, um es zu vertuschen.
    Doch all das interessierte Frédéric im Moment nur wenig. Die Konjunktion hatte für ihn eine ganz andere Bedeutung. Er vermutete, dass heute Nacht etwas mit Aliénor geschehen würde und zwar etwas ganz und gar Unglaubliches.
    Das war auch der Grund, warum er beschlossen hatte, sich heute nicht wie sonst zurückzuziehen, wenn Aliénor sich zum Schlafen bereit machte. Heute Nacht würde er sie nicht allein lassen.
    Aliénors physische Qualen waren ihm nicht entgangen und er hatte einige Bücher gewälzt, bis er einen Hinweis gefunden hatte, der ihm passend erschien. Falls das, was er vermutete, tatsächlich geschah, konnte er sie das unmöglich allein durchleiden lassen. Und er hatte wenig Vertrauen, dass ihr sonst jemand im Haus beistehen würde.
    Die Frage, wie so etwas überhaupt möglich sein konnte, hatte ihn Tag und Nacht beschäftigt. Statt alte Pergamente und Bücher zu studieren, wie es seine Aufgabe gewesen wäre, hatte er die Abstammung von Aliénors Eltern erforscht und war dabei auf etwas sehr Interessantes gestoßen. Er musste dem noch weiter nachgehen, aber wenn sich seine Vermutungen bestätigten, würde Aliénor jemanden an ihrer Seite brauchen, dem sie vertrauen konnte.
    Er gedachte dieser jemand zu sein.
    Er stand an seinem üblichen Platz hinter dem Vorhang und beobachtete, wie sie sich hin und her warf. Auf ihrer Stirn hatten sich kleine Schweißperlen gebildet. Ihre Lippen waren leicht geöffnet und zitterten. Er wünschte, er könnte ihr helfen, doch er wusste, er konnte nicht eingreifen. Noch nicht. Vorerst konnte er nur warten und sehen, was passierte.
    Sie bäumte sich auf, stöhnte im Schlaf, ballte die Hände zu Fäusten. Während sie schlief, murmelte sie vor sich hin und ihm ging auf, dass seine Stimme und der Satz, mit dem er sie hatte vergessen lassen, in ihrem Kopf herumgeisterten. Offensichtlich war es ihm nicht gelungen, ihre Erinnerung völlig zu löschen. Normalerweise hätte ihn das an seinen Fähigkeiten zweifeln lassen, aber nach allem, was er mittlerweile über sie wusste, überraschte es ihn nicht.
    Ihm war jetzt klar, dass sie erfahren musste, was geschehen war, auch wenn es schrecklich war. Sie würde sonst niemals aufhören zu grübeln, warum sie sich nicht daran erinnerte, wie sie heimgekommen war. Letztendlich würde sie sich Schritt für Schritt erinnern.
    Aber nach dieser Nacht wäre es ohnehin nicht mehr möglich, sie vor dem Wissen um die andere Welt zu schützen. Ihr Leben als Mensch, unschuldig und blind, wäre unwiederbringlich vorbei.
    Ihre Qualen nahmen zu. Er hatte recht gehabt. Heute Nacht würde es geschehen und er würde ihr beistehen müssen, sonst überlebte sie es womöglich nicht.
    Er trat hinter dem Vorhang hervor und an ihr Bett.
    Aliénor schlug die Augen auf. Es war noch dunkel im Zimmer. Der Vorhang vor dem Fenster wehte sanft und die hereinströmende Luft war angenehm frisch.
    Mühsam rappelte sie sich auf und rang nach Luft. Doch diesmal war es nicht die Erinnerung und die Trauer um Lara, die ihr den Atem nahm. Es war etwas ganz anderes: Ihr Rücken schmerzte, als wolle er jeden Augenblick auseinanderbrechen. Sie hatte das Gefühl, von ihrem eigenen Gerippe erdrückt zu werden.
    Sie versuchte sich zu strecken und stöhnte auf. In Gedanken verfluchte sie sich, dass sie nicht schon lange zum Arzt gegangen war. Sie hatte doch sehr genau gefühlt, dass etwas nicht in Ordnung war. Sie fragte sich, ob sie es bis morgen früh schaffen würde oder ob sie gleich in die Notaufnahme fahren sollte.
    Sie griff zum

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