Elfenlicht
Schlacht gegen Emerelle schon entschieden war.
»Was ist dort draußen?«, flüsterte Branbart. Der König drängte sich so dicht an sie, dass er ihr mit der Fackel den Nacken versengte. »Ich spüre da etwas. Es ...«
»Erinnerst du dich an das Heerlager bei der Wolfsgrube, am Tag bevor die Eissegler uns angegriffen haben? Dort hat uns ein Geisterwolf besucht, eine üble Kreatur mit einem blutroten Auge. Erinnerst du dich an seine Bosheit und seinen Hass?«
»Ja.« Der König zog die Nase hoch und wollte ausspucken. Unschlüssig blickte er hinab auf den goldenen Pfad, der nicht Erde und nicht Fels war und sie dennoch trug. Dann überlegte er es sich anders und schluckte den Rotz hinunter.
»Stell dir vor, all diese Bosheit sei ein Kieselstein am Meeresufer. Ein Stein, wie sie dort ohne Zahl liegen. Das, was dich hier jenseits des Weges erwartet, ist der Berg, von dem dieser Stein stammt. Denk an das Schlimmste, das dir je widerfahren ist, und sei gewiss, die Schrecken des Nichts werden es bei weitem übertreffen.«
Skanga blickte nach vorn und betrachtete die rote Flamme der Wegmarkierung. War es ein Fehler gewesen, diese Lichter zu setzen? Störte ihre Magie vielleicht den Zauber der Alben? Kam ihr der Schutzzauber so weitmaschig vor, weil sie unwissentlich etwas zerstört hatte?
Sie versuchte, den Zweifel von sich zu schieben. Es war das Wesen der Yingiz, Ängste zu schüren. Kamen diese Gedanken von ihnen? War sie nicht mehr Herrin dessen, was sich in ihrem Kopf abspielte? War das schon geschehen, als sie die Lichter gesetzt hatte? Waren die Yingiz schon dort die Meister ihrer Gedanken gewesen und hatten sie dazu missbraucht, Tausende in die Falle zu locken?
Skanga atmete tief aus. Sie dachte an den hellen Sommertag zurück, an dem Matha Naht ihr das Augenlicht genommen hatte. An die Schmerzen ... So vertrieb sie die Zweifel. Zumindest für ein paar Herzschläge.
Die Schamanin beschleunigte ihre Schritte. Ab und an sah sie Schatten jenseits des Netzwerks aus schützender Magie. Ihr Atem ging keuchend. Sie hatte das Gefühl, als stapele ein unsichtbarer Folterknecht Steine auf ihre Brust. Mit jedem Schritt wuchs die Last, wurde es qualvoller einzuatmen.
Alles Unsinn! Sie umklammerte den Albenstein fester. Das waren die Spiele der Yingiz! Sie blickte auf, doch ihr Feind war unsichtbar. Sie konnte ... Die Schamanin stutzte. War der schützende Bogen aus Magie flacher geworden?
Ein gellender Schrei schreckte sie aus ihren Gedanken. Kurz, abgehackt. Jemand war ins Nichts gezerrt worden.
»Irgendein Trottel, der vom Weg abgewichen ist!«, rief Branbart. Seine Stimme war schrill, sie verriet seine Angst. »Beeilen wir uns!«
»Nein!« Skanga wusste, dass Eile ein falsches Zeichen war. Sie zwang sich zur Ruhe und spähte ins Dunkel. Nichts. Die Schamanin schlug ein Schutzzeichen. Die Krieger um sie herum waren still. Nur aus der Ferne erklang das Schlagen von Waffen auf Schilde.
»Niemand rennt hier! Ihr seid Jäger! Ihr wisst, dass fliehende Beute den Jäger aufmerksam werden lässt. Sie ist viel leichter zu stellen als ein Tier, das sich ruhig verhält. Hier sind wir die Beute. Behaltet kaltes Blut. Niemand rennt! Ihr geht langsam. Jedes Mal, wenn ich meinen Stab hebe, macht ihr einen Schritt und schlagt dabei mit euren Waffen auf die Schilde. Der Feind im Dunkel weidet sich an unserer Angst. Begegnet ihm mit Gelassenheit! Und stört die Stille. Lasst uns den Rhythmus unseres Marschtritts in die Stille tragen. Wir bestimmen, wann wir gehen und wann wir laufen.« Skanga hob ihren Stab, machte einen Schritt vorwärts und senkte den Stab wieder.
Vereinzelt erklangen Keulenschläge auf Schilden.
»Benehmt euch nicht wie scheue Rehkitzchen!«, brüllte Branbart und hob seinen Schild. »Tut, was Skanga sagt! Und sagt den Männern weiter hinten, was sie befohlen hat.«
Wieder hob und senkte die Schamanin ihren Stab. Das Donnern der Schilde wurde lauter. Sie musste Ordnung in das Heer bringen. So würden sie die Gefahr meistern. Skanga zwang sich, ruhig weiterzugehen. Kalter Schweiß rann ihr über den Rücken. Als sie noch jünger gewesen war, hatte sie viele weite Reisen unternommen. In all den Jahrhunderten ihres Lebens war ihr dabei nur ein einziges Geschöpf begegnet, das hier im Nichts keine Angst empfand: ein Dschinn. Er hatte ziemlich viel krausen Unsinn geredet. Vielleicht war er ja auch verrückt gewesen ... Er hatte ihr gezeigt, wie er die Pfade verließ und durch das Dunkel gehen konnte, ohne sich
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