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Elfenlicht

Elfenlicht

Titel: Elfenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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inzwischen sogar fleischliche Gestalt annehmen, wenn sie es wollte. Von seinen Ordensbrüdern und -schwestern lebten nur noch drei. Ein paar Tage noch, dann wäre alles Menschliche in dem Geschöpf der Finsternis verloschen. Was würde die Bestie dann wohl unternehmen? »Du bist sehr neugierig, Sebastien. Manchmal denke ich, dass wir uns im Grunde recht ähnlich sind. Ich bin ein Sebastien, der alle Fesseln der Moral abgestreift hat.« Gar nichts haben wir gemeinsam , begehrte der Abt auf.
    »Wie kannst du so sprechen, wo wir doch sogar einen Leib teilen?«, entrüstete sich die Kreatur. Sie glitt durch die dicken Burgmauern und gelangte in einen Saal, der von einem großen Brunnen beherrscht wurde. Prächtige Banner hingen von den Wänden. Vor einer hohen, zweiflügeligen Tür am anderen Ende des Saals stand ein einzelner Wachtposten, der sie offenbar noch nicht bemerkt hatte.
    Witternd sah die Bestie sich um.
    Wieder glitt sie durch eine Wand. Inmitten des Mauerwerks war ein niedriger Tunnel. Die Kreatur verharrte und starrte ins Dunkel. Etwas bewegte sich in der Finsternis. Ein Schatten. Was hatten sie da aufgespürt?
    »Einen Bruder.«
    Sebastien konnte die andere Gestalt nicht deutlich erkennen. Er hatte das Gefühl, dass diese Geschöpfe der Finsternis sich auf eine Weise austauschten, die es erlaubte, ihn auszuschließen.
    »Wie überaus scharfsinnig du doch bist, Abt«, verhöhnte ihn die Kreatur. »Ich sagte doch, wir sind uns ähnlich. Aber du bist meiner Gesellschaft überdrüssig, nicht wahr?«
    Was sollte das nun? Es war nicht meine Absicht, dich zu kränken. Ich wollte lediglich anmerken – ohne damit eine Wertung auszudrücken -, dass wir voneinander verschieden sind.
    »Ach, Sebastien, wenn du ermessen könntest, wie viel Freude es mir bereitet, mit dir zusammen zu sein.«
    Die Bestie hatte einen Unterton in der Stimme, den er fürchten gelernt hatte. Von einem Augenblick zum anderen hatten sie den verborgenen Tunnel verlassen. Ein Schatten folgte ihnen. Eine amorphe Gestalt. Belebte Finsternis.
    Die Bestie eilte dem Wachposten an dem Tor entgegen. Der Elf senkte den Speer, doch die Waffe vermochte ihrer Geistergestalt keinen Schaden zuzufügen. Ihre Schnauze fuhr dem Krieger in die Brust. Raureif breitete sich auf seinem Bronzepanzer aus. Seine Kleider wurden steif vor Kälte. Mit schreckensweiten Augen starrte er auf das Lebenslicht, das sie aus seiner Brust zerrten.
    Die Bestie erlaubte dem Schatten, der ihnen gefolgt war, einen Teil des Lichts zu fressen.
    Was hatten die beiden besprochen? Noch nie hatte Sebastien erlebt, dass das Tier in ihm Beute geteilt hatte.
    »Du bist ungerecht, mein Freund! Teilen wir nicht jeden Happen, da wir uns einen Körper teilen? Du machst dir ein zu einfaches Bild von mir!« Die Kreatur trat durch die hohe Tür, die der Elf bewacht hatte. Sie gelangten in einen runden Saal, von dessen Wänden Wasser strömte. Es gab keine Decke. Man sah einfach hinauf in den Frühlingshimmel. Gegenüber dem Portal erhob sich ein Thron. Auf dem Boden gab es ein großes Mosaikbild aus ineinander verschlungenen Schlangen.
    Dieses Bild schien es der Bestie angetan zu haben. Sie schlich um die Schlangen herum und belauerte sie so lange, bis es Sebastien erschien, als bewegten sich die steinernen Schlangen. Ihre Augen wirkten lebendig. Und dann erhoben sie sich.
    Der Abt wollte schreien, sich abwenden, flüchten. Aber der Körper des Geisterwolfs gehorchte ihm nicht. Er war gezwungen zuzusehen, wie sich die Schlangen gegeneinander neigten und ein Tor aus gleißendem Licht sich öffnete.
    Dahinter lag Finsternis. Sie schwebten. Der Thronsaal war verschwunden. War hinter ihnen das Tor aus Licht? Was geschah hier?
    »Du wirst Teil haben an einem außergewöhnlichen Ereignis. Das Tor, durch das wir gegangen sind, sollte für meine Schattenbrüder unpassierbar sein. Doch hier ist das magische Siegel zerbrochen, und es gibt nicht einmal einen ernst zu nehmenden Wächter. Die Finsternis hier ist schier unendlich. Dieses Tor zu finden, wäre für meine Schattenbrüder ein großer Zufall. Jene, die in die Welt der Albenkinder gelangten, sind leider etwas selbstsüchtig. Sie wagen sich nicht zurück, um unsere übrigen Brüder zu rufen. Sie haben nicht unsere Kraft, Sebastien. Wir können selbst durch versiegelte Tore schreiten. Sie nicht. Ich bin hier, um sie zu rufen. Doch meine Stimme würde sie womöglich nicht locken.«
    Sebastien fühlte sich plötzlich leicht und unbeschwert. Vor ihm stand

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