Elfenlicht
wollte schreien, doch kein Ton kam über ihre Lippen. Ein Zangenpaar nahm sie auf. Dann trug die riesige Spinne sie davon.
Spinnen waren die heiligen Tiere Luths, das wusste Kadlin, aber in den Liedern der Skalden hatte sie noch nie von pferdegroßen Spinnen mit Beinen, so lang wie Schiffsmasten gehört.
Die Spinne eilte über silberne Fäden. Langsam wurde es heller. Kadlin sah einen Himmel voller silberner Fäden über sich. Manchmal zerriss einer von ihnen, und ein Leib glitt daran hinab. Noch andere Spinnen waren unterwegs. Die Jägerin konnte beobachten, wie eine strampelnde Gestalt in Fäden eingewoben wurde. Als der Mann endlich ganz still lag, kamen kleinere Spinnen und krochen zwischen den Fäden hindurch.
Kadlin wandte den Blick ab. In der Ferne sah sie ein goldenes Licht. Es wurde größer. Bald erkannte sie eine weit geöffnete Tür, sie gehörte zu einer Halle, deren weites Dach sich im Zwielicht verlor. Das Langhaus war über und über mit silbernen Fäden bedeckt.
Behutsam legte die Spinne Kadlin an der Tür ab. Ein derbes Zechlied kam der Jägerin vertraut vor. Es handelte von Mandred, der ein Hurenhaus besuchte. Der süße Duft von Met stieg Kadlin in die Nase.
Sie richtete sich auf. Ihre Glieder waren schwer wie Blei. Hinter dem Tor lag ein goldener Saal. Hunderte Krieger zechten und sangen dort. »Björn Lambison?« Wie Donnerschlag hallte der Name in dem weiten Saal. Das Lied verstummte. Alle blickten zur Tür. Und dann stand er vor ihr! Er sah gut aus. Ein wenig betrunken. »Was tust du hier?« Statt zu antworten, wollte sie ihn einfach nur in die Arme schließen.
»Tritt nicht über die Schwelle!«, warnte eine Ehrfurcht gebietende Stimme. König Alfadas trat zwischen den Gästen der Halle hervor. An seiner Seite ging Kalf. »Wenn du die Schwelle überschreitest, verwirkst du dein Recht auf deinen warmen, atmenden Leib. Was tust du hier, Kadlin? Du solltest nicht an diesem Ort sein.«
Sein Tonfall ärgerte sie. Von Kalf würde sie sich so etwas sagen lassen, aber ein toter König hatte ihr nicht mehr zu gebieten! Einen Augenblick lang war sie versucht, Alfadas zurechtzuweisen. Doch dann beherrschte sie sich und erzählte von der Not Albenmarks und davon, dass Emerelle glaubte, nur einer der Helden aus den Goldenen Hallen könne die Yingiz vertreiben.
Der König wirkte traurig. »Weißt du um den Preis, den dein Held zahlen wird? Wer die Goldenen Hallen verlässt, der kann nicht mehr zurück. Er wird im nächsten Morgengrauen vergehen. Seine Seele verlischt.« Er deutete in das Licht. »Dies ist unendlich mehr als eine Halle. Was du siehst, ist nur der Eingang. Asla ist hier.« Kadlin stutzte. Was hatte der König mit ihrer Mutter zu schaffen?
»Ich werde gehen!« Zwischen den Recken längst vergangener Zeiten erschien Ulric. Ihn zu sehen erschreckte Kadlin. Warum war auch er schon hier? Was war geschehen? Wie im Leben, so war auch hier Halgard an seiner Seite.
»Du schuldest ihr nichts, Junge.«
»Ich weiß.« Er wandte sich an Kadlin. »Ist Albenmark so schön, wie die Skalden sagen?«
»Nicht der Ort, zu dem du gehen würdest.«
EIN MANN OHNE NASE, ABER MIT EINEM FREUND
Skanga sah die beiden Lichtgestalten verblassen. Sie hatten die Yingiz das Fürchten gelehrt. Es war eine Freude gewesen zuzuschauen, wie die Schatten auseinander stoben und zurück ins Nichts flohen. Was die Menschen wohl an sich hatten, dass sie die Yingiz besiegen konnten? Lag es an ihren Göttern? »Wie lange dauert es noch, bis die Sanduhr abgelaufen ist?«
»Weniger als eine Stunde«, antwortete Birga.
Skanga würde es den anderen gegenüber nicht eingestehen, aber sie spürte, wie ihre Kräfte nachließen. Noch immer hielt die Schamanin den schützenden Kokon aufrecht.
Jetzt versperrte sie damit das Tor. Doch das konnte so nicht ewig weiter gehen. Wenn Emerelle sie hereinlegte, dann war das Opfer der beiden Lichtgestalten vergebens gewesen.
Skanga blickte zu dem Mädchen. Ihre Lebensaura war fast verloschen. »Wann wird sie erwachen, Alathaia?«
»Ich glaube nicht, dass sie zu uns zurückkehrt. Sie wird den Rückweg nicht finden.« Skanga schnaubte ärgerlich. Elfenpack! Man konnte ihnen einfach nicht trauen. »Warum hast du sie belogen?«
»Das habe ich nicht«, entgegnete Alathaia in aller Ruhe. »Im Gegenteil, ich sagte ihr ausdrücklich, dass sie sterben wird. Nur nicht in dieser Nacht. Doch nun ist die Nacht vorüber.«
»Ist Emerelle so wie du?«, fragte Birga.
»Nein. Ich glaube, sie ist mir
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