Elfenliebe
Laurel. »Ich kannte die Bezeichnung bisher nicht.«
Tamani prustete los, als sie »Lockerhausen« sagte.
»Nun – jetzt kennst du sie.«
»Und was bedeutet es?«
»Locker – von ›anlocken, verlocken‹. Das tun wir – jedenfalls können wir es. Aber meistens nutzen nur wir Wachtposten diese Fähigkeit.«
»Ach so«, grinste Laurel, »verstehe. Und warum nur die Wachtposten?«
»Hm«, begann Tamani unsicher, »erinnerst du dich an letztes Jahr – als ich versuchte, dich anzulocken?«
»Ja – genau, das hatte ich schon fast vergessen.« Sie drehte sich mit gespielter Wut zu ihm um. »Ich war unheimlich sauer auf dich!«
Tamani kicherte und zuckte die Achseln. »Bei dir hat es eben nicht funktioniert – weil du eine Elfe bist. Deshalb erhalten nur Wachtposten – vor allem die, die außerhalb Avalons arbeiten – überhaupt Gelegenheit, ihre Fähigkeit an Nichtelfen zu erproben.«
»Klingt nachvollziehbar.« Als ihre Neugier befriedigt war, setzte sich Laurel wieder in Bewegung. Sie spürte eine sanfte Berührung in der Taille, die sie durch die Menge geleitete.
»Hier rechts«, flüsterte Tamani. »Wir sind gleich da.«
Laurel war froh, nun in eine ruhigere Straße einzubiegen. Sie fühlte sich beobachtet und daher befangen. Vielleicht hätte sie den Verkäufer doch bitten sollen, den Haarschmuck in eine Schachtel zu packen. Hier trug niemand etwas annähernd Luxuriöses. »Sind wir schon da?«
»Da vorn«, antwortete Tamani mit einer Handbewegung. »Das Haus mit den großen Blumenkästen.«
Sie kamen zu einem hübschen Häuschen, das aus einem ausgehöhlten Baum entstanden war. Laurel hatte noch nie so einen Baum gesehen. Statt eines dicken Stammes, der in die Höhe wuchs, war dieser breit und rund gewachsen wie ein riesiger hölzerner Kürbis. Nur oben lief er wieder zusammen und wuchs weiter in die Höhe. Die Äste und Blätter spendeten dem Haus Schatten. »Wieso wächst der so komisch?«
»Zauberei. Dieses Haus war ein Geschenk der Königin an meine Mutter. Winterelfen können Bäume ganz nach ihren Wünschen wachsen lassen.«
»Und warum hat die Königin deiner Mutter etwas geschenkt?«
»Als Dankeschön für jahrelange besondere Dienste – als Gärtnerin.«
»Als Gärtnerin? Ich dachte, hier gibt es massenhaft Gärtner?«
»Oh nein – das ist eine ganz besondere Aufgabe. Weiter können es Frühlingselfen kaum bringen.«
»Echt jetzt?«, fragte Laurel skeptisch. Allein rund um die Akademie hatte sie schon Dutzende von Gärtnern gesehen.
Tamani sah sie zweifelnd an, aber dann dämmerte es ihm und seine Miene hellte sich auf. »Sie lassen sich mit menschlichen Gärtnern nicht vergleichen; die nennen wir Hüter – und es stimmt, davon gibt es hier viele. Bei euch wäre meine Mutter wahrscheinlich … eine Hebamme.«
»Eine Hebamme?«
Wenn Tamani die Frage gehört hatte, ließ er es sich nicht anmerken. Er klopfte an die Eschentür des merkwürdigen Baumhauses und öffnete sie, ohne auf Antwort von drinnen zu warten. »Hallo – ich bin da.«
Ein Aufschrei war zu hören und gleich darauf wickelte sich ein bunter flatternder Rock um Tamanis Beine. »Meine Güte, was ist das denn?« Er entwirrte das Knäuel zu seinen Füßen und hob die junge Elfe hoch über seinen Kopf. »Was ist das bloß? … Ah, ich weiß, eine Blume namens Rowen!« Die Kleine schrie begeistert auf, als Tamani sie an seine Brust drückte.
Das kleine Mädchen schien kaum älter als ein Baby zu sein, vielleicht ein Jahr alt, aber es lief schon sicher. Die Augen verrieten Intelligenz und – wie Laurel fand, ohne dass sie hätte sagen können, warum – Übermut.
»Warst du heute brav?«, fragte Tamani.
»Und ob«, antwortete das Elfenkind und klang älter, als Laurel erwartet hätte. »Ich bin immer brav.«
»Bestens.« Sein Blick wanderte ins Hausinnere. »Mutter? «, rief er.
»Tam! Was für eine Überraschung! Ich wusste nicht, dass du heute kommst.«
Laurel war auf einmal ganz verschüchtert, als sie die
ältere Elfe auf sich zukommen sah. Sie hatte, wie Laurel selbst auch, blassgrüne Augen und ein schönes Gesicht mit nur wenigen Falten. Während sie Tamani anstrahlte, schien sie Laurel, die noch halb in der Tür stand, nicht zu bemerken.
»Bis heute Morgen wusste ich es auch noch nicht.«
»Unwichtig«, sagte die Frau, nahm Tamanis Gesicht in beide Hände und küsste seine Wangen.
»Ich habe jemanden mitgebracht«, sagte er plötzlich viel leiser.
Die Frau wandte sich Laurel zu und für einen
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