Elfenliebe
bequem. Laurel betrachtete ihn fasziniert. Sie hatte ihn noch nie so entspannt gesehen.
»Du hast mir erzählt, dass Elfen anders alt werden, aber ich …« Sie verlor den Faden.
Tamani grinste. »Hast du mir nicht geglaubt?«
»Doch, doch. Nur, es zu sehen, ist etwas ganz anderes. « Sie schaute ihn an. »Sind Elfen überhaupt jemals Babys?«
»Nicht so, wie du meinst.«
»Und ich war älter als Rowen, als ich zu meinen Eltern kam?«
Tamani nickte, ein leises Lächeln umspielte seine Lippen. »Du warst knapp sieben.«
»Und du und ich … wir sind zusammen zur Schule gegangen? «
Er gluckste. »Was hätte ich in der Elfenschule schon lernen können?«
»Und woher kanntest du mich?«
»Ich habe viel Zeit in der Akademie verbracht – bei meiner Mutter.«
Als ob sie gespürt hätte, dass von ihr die Rede war, kam Rhoslyn ins Zimmer zurück – mit warmem Helikoniennektar. Laurel hatte ihn in der Akademie schon probiert; das süße Getränk war in Avalon sehr begehrt, wurde aber nur selten angeboten. Sie sah es als Kompliment an, hier eine Tasse serviert zu bekommen.
»Was ist eine Gärtnerin?«, fragte Laurel Rhoslyn. »Tamani sagt, so etwas wie eine Hebamme?«
Rhoslyn schnalzte geringschätzig mit der Zunge. »Tamani mit seinen Menschenwörtern … Ich weiß nicht, was eine Hebamme ist – aber eine Gärtnerin ist eine Hüterin, die keimende Triebe aufzieht.«
»Oh.« Laurel war immer noch durcheinander. »Kümmern sich die Eltern denn nicht selbst darum?«
Rhoslyn schüttelte den Kopf. »Keine Zeit. Triebe brauchen permanente und ganz besondere Aufmerksamkeit. Wir haben alle täglich unsere Aufgaben zu erledigen, und wenn jede Mutter ein Jahr freinähme, um
ihren kleinen Trieb zu versorgen, blieben viel zu viele Dinge liegen. Außerdem könnte ein Paar auf die Idee kommen, einen Samen zu produzieren, nur um ein Jahr frei zu haben! Neues Leben ist viel zu wichtig, um es aus so leichtfertigen Gründen in die Welt zu setzen.«
Laurel fragte sich, was Rhoslyn wohl von den vielen leichtfertigen Gründen halten würde, aus denen Menschen Babys bekamen, aber sie schwieg lieber.
»Triebe werden in einem besonderen Garten der Akademie aufgezogen«, fuhr Rhoslyn fort, »so wie alle anderen Pflanzen und Blumen. Frühlings- und Sommersetzlinge lernen ihr Handwerk, indem sie anderen, meistens ihren Eltern, dabei zusehen. Auf diese Weise hat auch Tamani viel Zeit mit mir in der Akademie zugebracht.«
»Und ich war auch da?«
»Na klar – von dem Moment an, als dein Keimling sich öffnete, genau wie allen anderen Elfen.«
Laurel sah Tamani an. Er nickte. »Vom allerersten Tag an. Wie ich gesagt habe. Sie kennen dich nicht.«
Laurel nickte selbstverloren.
»Laurel hat Schwierigkeiten damit, dass sie keine Elfeneltern hat«, erklärte Tamani ruhig.
»Du brauchst dich nicht zu ärgern«, versicherte Rhoslyn. »Die Trennung ist ein wichtiger Schritt in der Erziehung. Eltern sind dabei nur im Weg.«
»Was? Wie?« Laurel war doch ein wenig irritiert von dem lässigen Ton, in dem Rhoslyn – die selbst eine Mutter war – ihre ihr unbekannten Eltern so einfach abtat.
»Es kann gut sein, dass deine Eltern Frühlingselfen waren. Sie hätten keine Ahnung gehabt, wie man einen
Herbstsetzling aufzieht. Und Herbstelfen dürfen sich nicht durch zufällige Bindungen mit niederen Elfen belasten«, sagte sie sachlich, als würde sie nicht von sich selbst sprechen. »Sie müssen lernen, ihren Verstand zu verfeinern – damit sie das leisten können, was von ihnen erwartet wird. Herbstelfen sind nun mal sehr wichtig für unsere Gesellschaft. Das hast du bestimmt längst verstanden – selbst nach so kurzer Zeit in der Akademie.«
Laurels Gedanken waren an dem Ausdruck »zufällige Bindungen« hängen geblieben. Eltern waren doch mehr als das! Oder sollten es wenigstens sein …
Trotz aller Gemütlichkeit in Tamanis Heim wollte Laurel diese Unterhaltung plötzlich beenden. »Wir sind so weit gelaufen, Tamani«, sagte sie abrupt, »ich habe Angst, wir kommen zu spät zurück in die Akademie.«
»Mach dir keine Sorgen«, erwiderte er. »Wir sind einen großen Bogen gegangen, um alle Viertel zu besuchen. So sind wir jetzt gar nicht weit vom Wald der Königin und dem Gelände der Akademie entfernt. Aber sie hat recht«, fuhr er fort und wandte sich an seine Mutter, »wir sollten wirklich gehen. Ich habe versprochen, Laurel nur auf einen kurzen Ausflug mitzunehmen.« Tamani blickte besorgt zu Laurel, doch sie wandte sich
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