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Elfenlied

Elfenlied

Titel: Elfenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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geöffnet hatte, erschöpft?
    Ein seltsamer Geruch trieb mit dem Wind. Gänzlich fremd. Obwohl … Unter allem Ungewohnten, kaum wahrnehmbar, lag der Duft nach Gebratenem.
    Endlich erreichte ich den Hügelkamm, und diesmal versagte meine Stimme nicht den Dienst.
    Ich stieß einen Schrei aus und begann zu laufen.
    Unter mir am Hang lagerte eine Herde Drachen!

Drachenkind
    Ich kann schnell laufen, jedenfalls für eine Lutin! Gromjan ließ ich bald hinter mir, und ich wäre ihm trotz meiner Schwäche sicher entkommen, wenn ich nicht dauernd voller Panik über die Schulter geblickt hätte. Meine große Flucht endete mit einem ebenso unerwarteten wie heftigen Schlag. Es riss mich von den Beinen. Spitze Knie bohrten sich in meine Brust, meine Arme wurden zu Boden gedrückt. Dicht über mir war ein Fuchsgesicht, und ich spürte warmen Atem auf meiner Nase.
    »Du bleibst hier.«
    Ich wand mich wie ein Aal, aber ich vermochte dem Lutin nicht zu entkommen. Er war etwas älter als ich, drahtig und hoffnungslos stärker.
    »Die Drachen!«, stieß ich keuchend hervor. »Wir müssen fliehen! Sie werden dich auch fressen. Lass mich los. Sei nicht dumm!«
    »Drachen?« Der Lutin sah mich an, als sei ich nicht recht bei Trost.
    »Ich glaube, sie meint die Hornschildechsen«, erklang die vertraute Stimme von Meister Gromjan. »Wie es scheint, hat ihre Mutter ihr nicht gerade viel über unser Leben erzählt, Elija.«
    Es stimmte. Meine Mutter hatte nur selten von anderen Lutin gesprochen. Sie hatte behauptet, meine Verwandten seien alle tot. Und wie sich bald herausstellen sollte, war das – wörtlich genommen – auch nicht gelogen.
    Gromjan kniete neben mir nieder. Er tippte mir mit einem dünnen Bambusrohr auf die Nasenspitze. »Hör mir jetzt gut zu, Kleine. Du bist hier, weil die Elfenkönigin es wünscht. Und ihre Wünsche sind gleichbedeutend mit Befehlen. Sie ist nicht so nett, wie du vielleicht denkst. Sie wollte dich nicht länger in ihrem Palast haben. Ich sollte dich so weit wie nur möglich vom Herzland fortschaffen. Wir sind hier im nördlichen Windland. Ich kann dir versprechen, das ist verdammt weit von deiner Elfenburg weg. Du solltest besser nicht versuchen fortzulaufen. Hier gibt es nichts außer Gras, Hügeln und Himmel. Auch wenn es jetzt noch recht warm ist, wird doch sehr bald der Winter kommen. Und der tötet jeden, der allein durchs Windland streift. Elija, steh auf!«
    Der junge Lutin gehorchte sofort. Ich atmete tief ein und rieb mir die schmerzende Brust. Der Mistkerl Elija hob einen langen Stecken auf, und meine schmerzenden Knie verrieten mir, auf welche Weise ich zu Fall gekommen war.
    »Hör mir gut zu«, sagte Gromjan leise. »Wenn du noch einmal fortläufst, wird dich niemand aufhalten oder dir folgen. Komm mit uns oder lass es bleiben. Der Befehl der Königin lautete, dich weit fortzubringen. Das habe ich getan. Was nun mit dir geschieht, liegt in deiner Hand.«
    »Aber die Drachen …«
    »Dumm und blind ist sie auch noch! Komm mit!«
    Ich raffte mich auf. Meine Beine wollten in die entgegengesetzte Richtung laufen, aber mein Stolz war so tief getroffen, dass er all mein Handeln bestimmte. Das ist eine Eigenart von mir, die mich immer schon in Schwierigkeiten brachte.
    Ich folgte Gromjan zur Hügelkuppe. Elija ging an unserer Seite und grinste mich die ganze Zeit über an.
    Natürlich waren sie nicht fort. Unter uns, am Fuß des Hügels, weideten riesige Echsen. Ihre Köpfe waren von weiten Hornkragen eingefasst, die ihre Körper wie Schutzschilde deckten. Aus Nase und Stirn wuchsen ihnen drei geschwungene, Ehrfurcht gebietende Hörner. Ein besonders großer Bulle weidete nicht, sondern sah sich aufmerksam um.
    Auf den Rücken aller größeren Tiere waren Plattformen aus Bambusrohren festgezurrt. Niedrige schwarze Zelte waren darauf aufgeschlagen. Von Stangen wehten farbenprächtige Banner, aber auch Hemden und Unterhosen, die zum Trocknen aufgehängt waren.
    Von jeder Plattform hingen mehrere Seile und Strickleitern. Ich sah Kinder auf den Rücken der großen Echsen herumklettern. Die Tiere störten sich nicht im Mindesten an deren Kapriolen.
    Armbrüste waren auf Schwenkarmen arretiert und ließen ahnen, dass mein Volk nicht nur Freunde hatte.
    Der große Bulle blickte in unsere Richtung. Schwarze, geschlitzte Pupillen musterten mich. Er legte den Kopf in den Nacken und stieß einen langen, kehligen Ruf aus.
    Alle Tiere hörten auf zu grasen. Die Kinder auf den Plattformen verharrten im Spiel.

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