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Elfenlied

Elfenlied

Titel: Elfenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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tun! Macht euch davon. Wir müssen weiterziehen. Das gute Gras ist längst abgeweidet, und der Platz hier stinkt nach Ziegenpisse. Los, macht euch nützlich!« Er klatschte in die Hände. Murrend verteilten sich die anderen.
    Gromjan starrte den Bullen an, der ihn mit seinem lauten Ruf als Erster begrüßt hatte. Ich hatte das Gefühl, dass die beiden einander verstanden. Die große Echse stieß ein paar grunzende Laute aus und stieß drängelnd einen anderen Bullen an. Dann setzte sich die ganze Herde in Bewegung.
    »Komm, Ganda.« Gromjan deutete zum Zelt auf dem Rücken des Leitbullen. »Dort ist dein neues Zuhause, bis wir etwas Besseres für dich finden.«
    Ich war überrascht, mit welcher Leichtigkeit der alte Lutin die schwankende Strickleiter zum Rücken der Echse hinaufkletterte. Er duckte sich unter einer Brüstung aus Bambusrohren hindurch und stieg zum faltigen Nacken hinab. Dort schlug er klatschend mit der Hand auf die zähe, zerfurchte Echsenhaut. »Es ist gut, wieder zu Hause zu sein, Zweistoß. Du hast gut auf sie alle aufgepasst. Ich danke dir, mein Freund.«
    So sentimental hatte ich Gromjan bisher noch nicht erlebt. Ich stand auf der leicht schwankenden Plattform dicht hinter einer fest auf dem Geländer montierten Armbrust und sah ihm zu. Vielleicht steckte unter seiner harten Schale ja ein weicher Kern? Aber schon im nächsten Augenblick machte er mir klar, dass ich ihm bei Weitem weniger bedeutete als eine alte, gehörnte Riesenechse.
    »Komm, ich zeige dir, wo du die nächsten paar Nächte schlafen wirst.« Er brachte mich in das schwarze Zelt. Zum ersten Mal in meinem Leben wurde mir klar, dass die Bedeutung eines Mannes nichts über seinen Ordnungssinn aussagt. Gromjan war der Anführer dieser Lutinsippe. Emerelle, die Herrin der Welt, kannte ihn! Aber in seinem Zelt sah es aus wie auf einer Müllschütte. Kleider lagen wahllos durcheinander. Fünf oder sechs Teller mit Essensresten standen herum und schimmelten vor sich hin. Es roch nach dem alten, abgestandenen Schweiß zu lange nicht gewaschener Kleidung und nach einem Nachttopf, der vor Gromjans Abreise benutzt, aber nicht mehr geleert worden war.
    Von den Streben des Zeltes hingen Dutzende Amulette, die leise klickend aneinanderschlugen.
    »Ich fürchte, hier sollte mal ein bisschen aufgeräumt werden. Du musst wissen, ich bin entsetzlich viel beschäftigt …« Er streckte sich. Dann deutete er dorthin, wo sich die Holzteller türmten. »Da in der Ecke kannst du schlafen. Zum Glück liegt es Mädchen ja im Blut, aufzuräumen. Du solltest ein wenig Ordnung schaffen. Heute Abend werden wir ein Wasserloch erreichen. Da könntest du Geschirr und Kleider waschen.«
    »Und wenn ich das nicht tue?«
    Er sah mich durchdringend an. »Ich fürchte, im Augenblick bin ich der einzige Freund, den du hier in der Sippe hast. Gewöhn dich besser schnell daran, dass du hier nicht mehr in einem Elfenpalast lebst und von hart arbeitenden Kobolden den Arsch nachgetragen bekommst. Hier musst du selbst anpacken. «
    »Und wenn ich dir nicht den Arsch nachtrage, dann kann ich sehen, wie ich allein im Grasland zurechtkomme. Richtig? «
    Er sah mich lange an. Ich hätte so nicht mit ihm reden sollen, das war nicht klug. Es war mir einfach so herausgerutscht. Überraschenderweise schmunzelte Gromjan. »Mir scheint, du kommst nach deinem Vater. Der hat sich auch sein Leben lang in Schwierigkeiten gebracht.«
    »Was weißt du über ihn?«
    Er schüttelte den Kopf. »Er war ein großer Dieb. Was er tat, war nicht einfach nur zu stehlen … Er war ein Künstler. Außerdem hat er sich nur an denen vergriffen, die ohnehin mehr als genug zum Leben hatten. Auch hat er ein paar Dinge gesagt, die heute noch vielen Kobolden in den Köpfen herumspuken. Aber das soll für heute genügen.«
    »Wie ist er gestorben?«
    Gromjans Gesicht nahm einen verschlossenen Ausdruck an. »Das erzähle ich dir, wenn du älter bist. Jetzt mach dich an die Arbeit!«
    »Aber wie kann er vor achtzig Jahren gestorben sein? Ich bin nicht einmal sechs. Ich …«
    »Das hat deine Mutter geschafft!« Er schüttelte den Kopf. »Sie war vertraut wie kaum eine andere mit dem goldenen Netz. Ich versteh es nicht. Es sei denn …«
    Ich wartete, aber Gromjan hüllte sich in Schweigen. Endlich bückte er sich und wühlte zwischen den schmutzigen Kleidern herum, bis er schließlich einen stinkenden, alten Sack hervorzog. »Du wirst keine Ruhe geben, nicht wahr, Ganda? Nimm das hier und gesell dich zu den

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