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Elfenlied

Elfenlied

Titel: Elfenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Köpfe lugten aus den Zelten.
    Gromjan zog unter seiner Weste ein Horn hervor und antwortete dem Ruf der Echse. Nun brach allgemeiner Jubel aus. Der alte Lutin wurde begrüßt, als habe man nicht erwartet, ihn noch einmal lebend wiederzusehen. Ich verstand nicht, warum man Emerelle so sehr fürchtete.
    Ich folgte den beiden ins Lager. Zwischen den großen Echsen liefen Ziegen, ein paar Esel und Hühner umher. Gromjan wurde umarmt, eine Lutin brachte ihm etwas zu trinken. Zu mir aber hielten alle Abstand. Und ich achtete darauf, den Echsen nicht zu nahe zu kommen. Ihre Mäuler waren so groß, dass ein Lutin nicht mehr als zwei Happen für sie war. Wie konnte man mit solchen Tieren zusammenleben?
    Es war ein junges Lutinmädchen, das als Erstes zu mir kam. Sie hatte sich das linke Ohr mit einer rosa Schleife fast abgeschnürt. Offensichtlich stimmte etwas nicht mit ihr.
    »Du riechst komisch«, sagte sie und schnupperte übertrieben an meinem Kleid.
    Die Nasen der Lutin sind sehr gut. Es wäre nicht nötig gewesen, die Schnauze in die Falten meines Kleides zu stecken.
    »Sie stinkt nach Elfen«, erklang es hinter mir. Elija. Er trat an die Seite des Mädchens. »Gromjan erzählte gerade, sie sei die Ziehtochter der Königin Emerelle gewesen. Und sie hätte es bei Hof mit ihren Streichen so toll getrieben, dass schließlich ein Turm ihren besten Freund gefressen hat.«
    Die Kleine wich erschrocken vor mir zurück. Ich war sprachlos. Das war einfach nicht die Wahrheit! Aber es war so dicht daran, dass ich Schwierigkeiten haben würde, den anderen die feinen Unterschiede deutlich zu machen.
    Das war typisch für die Lutin, wie ich sehr schnell lernen sollte. Sie konnten fast nie der Versuchung widerstehen, eine Geschichte durch leichte Ausschmückungen noch etwas spektakulärer zu machen. Aber keine Sorge, ich bin natürlich eine absolut aufrichtige Chronistin, und alles, was ich über mein Leben schreibe, ist die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Natürlich lasse ich ein paar uninteressante Stellen aus, aber das ist ja etwas ganz anderes …
    »Das ist meine Schwester Mira«, fuhr Elija fort. »Du solltest lieber nett zu ihr sein.« Er sah mich so grimmig an, als hätte ich Mira etwas getan.
    Ich verstand ihn nicht. Andererseits war hier alles irgendwie seltsam.
    Bevor ich etwas dazu sagen konnte, holte mich Gromjan zu sich in die Mitte der Lutin. »Dies ist Ganda. Sie gehört zu unserer Sippe. Ihre Mutter war Sesha, die Schwester meiner Großmutter, und ihr Vater war niemand Geringerer als Merkad Flinkfinger.« Wäre Gromjan in diesem Augenblick von einer der Hornschildechsen verschlungen worden, dann wäre die Reaktion der Lutin wohl kaum anders ausgefallen als auf diese Enthüllung. Es herrschte sprachloses Entsetzen. Einige rückten von mir ab, als hätte ich die Pest.
    »Warum hast du sie hierher gebracht?«, rief jemand aus der Sicherheit der Menge.
    »Weil sie eine von uns ist!«
    Das war schon wieder nicht die ganze Wahrheit, aber diesmal war ich ihm dankbar für seine Worte. Ich stellte mich ganz dicht an seine Seite. Von meinem Vater hatte Sesha nie gesprochen.
    »Merkad starb vor mehr als achtzig Jahren«, sagte eine Alte mit rotgrauem Fell. »Ich bin die Älteste aus unserer Sippe, und auch ich habe Merkad und Sesha nie gesehen. Was haben wir mit dem Kind zu schaffen? Bist du dir überhaupt sicher, dass sie Merkads Tochter ist? Sie könnte doch irgendein Balg sein, das Emerelle uns unterschiebt.«
    Wie ich bald herausfand, war es Elijas Großmutter, die da sprach. Sie war eine gehässige alte Ziege. Und sie hörte niemals auf, über mich zu hetzen.
    »Sehe ich aus wie ein Welpe, Zita? Oder redest du solchen Unsinn, weil du noch immer wütend bist, dass ich noch nicht mal betrunken in dein Bett gestiegen bin?«
    Zita blieb ganz ruhig. »Komm hier nicht mit Bettgeschichten. Antworte! Woher weißt du, wer die Kleine ist?«
    Gromjan machte eine abwehrende Geste. »Was ist Wissen? Ich habe es im Gefühl …«
    Zita lachte auf, sodass man tief in ihr zahnloses Maul blicken konnte. »So wie du damals im Gefühl hattest, dass Orimedes und seine Pferdemänner ganz gewiss ihren Met mit Nelken würzen würden, wenn man ihnen nur genügend getrocknete Nelken zum Kauf anbieten würde.«
    Ringsherum wurde gekichert.
    »Was bist du nur für ein kaltherziges Weib, Nelken mit Kindern zu vergleichen.« Gromjan bedachte Zita und die anderen der Sippe mit vernichtenden Blicken. »Los, ihr habt doch sicher alle noch etwas zu

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