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Elfenlied

Elfenlied

Titel: Elfenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Nägeln. Hände, denen man ein Leben voller harter Arbeit ansah. Schlanke und schmalere Hände, deren Innenseiten mit Schwielen bedeckt waren. Und Kinderhände, zart und zerbrechlich. Doch die Hände, die ich niemals vergessen sollte, gehörten einem Neugeborenen. Sie waren winzig. Die Finger gekrümmt, als hätten sie eben noch nach einer Haarsträhne der Mutter gegriffen. All diese Hände, es waren mehrere Dutzend, waren so klein, dass sie nur Kobolden gehört haben konnten.
    Das Geräusch von Schritten beendete mein Starren. Ein Elf kam die Treppe herab, dessen Erscheinung einen gnädigen Augenblick lang alles andere vergessen ließ. Schön ist ein Wort, das ihm nicht einmal ansatzweise gerecht wurde. Sein Anblick ließ einen das Atmen vergessen. Shandral, der spätere Fürst von Arkadien, war selbst nach den Maßstäben der Elfen außergewöhnlich. Sein makelloses Gesicht, beherrscht von tief liegenden, melancholischen Augen, war gerahmt von fast hüftlangem goldenem Haar. Sein Körper war schlank, ohne zerbrechlich zu wirken, die Haut von vornehmer Blässe, doch nicht gepudert und deutlich dunkler als der Marmor der Halle. Sein scharlachrotes Hemd stand halb offen, gerade so weit, dass es anziehend und nicht vulgär wirkte. Enge scharlachrote Reithosen und schwarze Schaftstiefel rundeten seine ungewöhnliche Erscheinung ab.
    Der Elf bewegte sich mit lässiger Eleganz. Ihm haftete etwas Katzenhaftes an. Er begrüßte mich mit einem Lächeln, wie ich es kein zweites Mal in meinem Leben geschenkt bekommen sollte. Es gab mir das Gefühl, dass sich tief in meiner Brust etwas auftat. All die unausgesprochene Traurigkeit fiel von mir ab. Es war unglaublich! Ein Lächeln allein genügte, um mich mit meinem Schicksal zu versöhnen und binnen eines Herzschlags Frieden in mir zu finden.
    »Willkommen, meine Schöne. Ich danke dir für die Gunst deines Besuches. Mein Haus hier inmitten der Wildnis erstrahlt durch die Gnade deines Besuches. Ich bin Shandral von Arkadien.«
    Shandral schien Elija überhaupt nicht wahrzunehmen. Er bedachte ihn mit keinem Wort, nicht einmal mit einem Blick. Um ehrlich zu sein, mich störte das nicht. Ich genoss es, die Aufmerksamkeit Shandrals ganz für mich allein zu haben.
    »Gewährst du mir die Gunst, deinen Namen zu kennen?«
    Vage wurde mir bewusst, dass ich ihn bisher einfach nur angestarrt hatte. »Ganda«, sagte ich, ohne zu zögern. Es war Elijas Blick, der mir bewusst werden ließ, was ich gerade getan hatte.
    »Ganda?« Shandral sprach meinen Namen aus, wie man eine unbekannte Frucht kostet. »Gan-da«, wiederholte er noch einmal leise und ließ die beiden Silben auf seiner Zunge zerfließen. »Ein ungewöhnlicher Name für eine Elfe.«
    »Meine Mutter benannte mich nach ihrer besten Freundin, einer Lutin.«
    Er hob eine Braue. »Ungewöhnlich.«
    »Wir Maurawan sind dafür bekannt, anders als die übrigen Völker der Elfen zu sein.«
    Er lächelte wieder, aber es war nicht mehr so wie beim ersten Mal. »Magst du mich nach oben begleiten?«
    Ich nickte. Was hatte ich schon für eine Wahl? Wenn ich nicht zustimmte, würde das sein Misstrauen erwecken, und er würde weiter über den Namen nachdenken. Stumm verfluchte ich mich für meine Einfältigkeit. Zugleich breitete sich ein angenehm warmes Gefühl in meinem Bauch aus. Mit ihm beisammen zu sein, war eine Gnade!
    Jetzt bedachte Shandral Elija mit einem Blick. »Tiere und Dienerschaft betreten meine Gemeinschaft nur auf mein Geheiß. Neben der Treppe findest du eine kleine Tür. Dort erwartet dich ein Bediensteter. Er bringt dich an einen Ort, der für deinesgleichen angemessen ist.« Er sagte dies so kalt, dass mich ein Schauder überlief. Zugleich blickte ich ängstlich zu Elija, voller Sorge, dass er den Elfen durch eine unangemessene Antwort reizen könnte.
    Doch mein Kamerad neigte nur das Haupt und zog sich zurück.
    Aufgeregt folgte ich Shandral. Er brachte mich in einen Salon mit üppig gepolsterten Sesseln. Auf einem kleinen Tisch standen mehrere Teller mit Leckereien. Honiggebackenes, kandierte Früchte, aber auch geräucherter Lachs, kleine Brotstücke, frische Butter und köstlich duftende Soßen.
    Er begann eine freundliche Plauderei und sah mir amüsiert zu, wie ich wie eine Verhungerte über die kleinen Leckerbissen herfiel.
    »Es stimmt also, dass das Essen bei den Lutin nicht sonderlich gut ist. Ich habe gehört, sie mischen Echsendung unter die Speisen.«
    Ich schluckte eine scharfe Antwort herunter, widersprach

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