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Elfenlied

Elfenlied

Titel: Elfenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Irgendwie wollte ich die Elfen verteidigen, obwohl ich eine Lutin bin. Vielleicht war es mir ein wenig zu Kopf gestiegen, die Gestalt einer Elfe anzunehmen. »Das ist doch eine Koboldstadt. Warum hat keiner etwas dagegen unternommen? «
    »Weil es den vollgefressenen Pfeffersäcken im Rat wichtiger ist, weiterhin gute Geschäfte mit dem Fürstenhaus von Arkadien zu machen, als zwei Kobolden die Haut zu retten. Natürlich hätten sie die Hinrichtung verbieten können. Diese Verräter sollte man in Käfigen ins Wasser hängen!«
    »Gromjan möchte auch gern Geschäfte mit den Elfen machen«, wandte ich ein.
    »Das sind doch keine Geschäfte. Wir sind ihnen ausgeliefert! Ihre Gunst entscheidet, ob wir überhaupt Handel treiben können. Die Lügen einer einzigen Elfe und die Dummheit deiner Mutter haben unseren Klan ruiniert. Ist das Recht?«
    Mir saß ein dicker Kloß im Hals. Wenn es um meine Mutter ging, war ich wehrlos. Damals begann ich zu ahnen, dass die Zeitsprünge auf ihren Reisen keine Ungeschicklichkeit gewesen waren. Und es waren auch keine richtigen Reisen gewesen, wie sie mir erzählt hatte. Als Kind ist man so arglos. Man glaubt, was einem die Mutter sagt … Heute weiß ich, dass wir nicht deshalb immer nur kurz an einem Ort blieben, weil es so viele schöne Plätze gab, die man gesehen haben sollte. Meine Mutter war auf der Flucht. Ich vermute, sie machte jedes Mal, wenn sie einen Albenstern durchquerte, ganz bewusst einen kleinen Zeitsprung, um besser ihre Spur zu verwischen.
    Elija nahm mein Schweigen als Triumph seiner Argumente.
    Plötzlich änderte sich sein Gesichtsausdruck. »Komm, lass uns gehen«, sagte er hastig und stand auf.
    Ich verstand seinen plötzlichen Stimmungswandel nicht.
    »Halt!«, rief jemand hinter mir. Ich drehte mich um und sah einen stämmigen Kobold die Uferstraße herauflaufen. Er winkte mir zu, um ganz sicherzugehen, dass ich ihn bemerkte und auf ihn wartete.
    »Du bist eine Elfe«, zischte Elija mir zu. »Du schuldest Kobolden keine Aufmerksamkeit. Lass uns gehen.«
    Mir kam es dumm vor, mich davonzumachen. Es war zu offensichtlich, dass wir ihn bemerkt hatten. Außerdem, was hatte ich von einem Kobold schon zu befürchten? Ich war schließlich eine Elfe!
    Der Kobold trug die Lederschürze eines Steinmetzen. Er vermied es, mir in die Augen zu sehen, als er vor mir stand. Demütig hielt er den Kopf gesenkt. »Edle Herrin, mein Meister schickt mich. Er möchte Euch gern einladen.«
    »Warum sollte ich der Einladung eines Fremden folgen?«
    »Weil mein Gebieter Fürst Shandral ist. Bitte, weist mich nicht zurück.« Seine Stimme war zu einem unterwürfigen Flüstern geworden. »Er sieht uns von der Terrasse seines Hauses aus zu. Schräg hinter der Brücke . . .«
    Ich blickte auf und erspähte einen Elfen mit langem schwarzem Haar. Er war wohl eine halbe Meile entfernt, und doch hatte ich das Gefühl, dass er mir geradewegs in die Augen blickte.

Das kleine Arrangement
    Ich erinnere mich noch heute an die Hände. Etwas Vergleichbares habe ich später nicht einmal bei den Trollen gesehen, und ihr Umgang mit Toten ist in ganz Albenmark berüchtigt. Elija und ich wurden durch eine Seitentür in das Haus des Elfenfürsten geführt. Vor dort gelangten wir in eine Empfangshalle, die ganz in milchweißem Marmor gestaltet war. Hoch über uns spannte sich eine Glaskuppel voller Rosenranken, die mit üppigen roten Blüten prunkten. Das helle Winterlicht, das durch die Glasdecke fiel, warf grüne und rote Farbsprenkel in die weite Halle, die verblassten, wann immer Wolken über den Himmel zogen, und dann plötzlich wieder erblühten.
    Das makellose Weiß und das besondere Licht ließen die Formen der Halle miteinander verschwimmen. Der Raum wirkte flächig, schien keine Tiefe zu haben, dafür aber etwas Beunruhigendes. Etwas hier schien falsch.
    Nah bei der Eingangstür gab es einen Beistelltisch. Eine weiße Kerze stand dort. Sie schien von Kieseln in seltsamen Formen umgeben zu sein. Hätte Elija mich nicht darauf hingewiesen, mir wären ungezählte Nächte voller Albträume erspart geblieben.
    »Siehst du das?« Mein Gefährte sagte das in einem Tonfall, wie ich ihn bei ihm noch nie gehört hatte. Blankes Entsetzen lag in seiner Stimme.
    Ich trat etwas näher an den Beistelltisch. Hätte ich das doch nur nie getan! Er war mit abgeschnittenen Händen dekoriert. Gut ausgeblutet und offensichtlich gepudert, waren sie weiß wie der Marmor ringsum. Es waren grobe Hände mit gesplitterten

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