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Elfenstern

Titel: Elfenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Weis , Tracy Hickman
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standen. Alle Augen waren auf das Labyrinth gerichtet. Der
Fürst sah, wie das
Blut aus den Gesichtern wich, wie Hände sich zu
Fäusten ballten und Schweiß
über tätowierte Haut rann.
    »Wer geht mit mir?« fragte er.
    Er schaute von einem zum anderen. Jeder
versuchte, dem Blick des Fürsten standzuhalten, und jeder
senkte schließlich
die Augen. Einige machten tapfer Anstalten vorzutreten, aber Muskeln
und Sehnen
können nicht handeln ohne den Befehl des
Bewußtseins, und das Bewußtsein dieser
Männer und Frauen war gelähmt von der Erinnerung an
unvorstellbare Schrecken.
Manche weinten unverhohlen, als sie sich mit trostlosem
Kopfschütteln abwenden
mußten.
    Der Fürst trat zu ihnen und legte ihnen der
Reihe nach tröstend die Hand auf den Arm oder die Schulter.
»Schämt euch nicht
eurer Furcht. Macht Gebrauch davon, denn sie bedeutet Stärke.
Vor langer Zeit
strebten wir danach, die Welt zu erobern, um über jene
schwachen Völker zu
herrschen, die nicht imstande waren, sich selbst zu regieren. Unsere
Kraft und
unsere Zahl waren groß, und wir hatten unser Ziel fast
erreicht. Die Sartan
vermochten uns nur dadurch zu besiegen, daß sie die Welt
aufspalteten, in vier
verschiedene Teile. In diesem Chaos unterlagen wir der Macht der
Sartan, und sie
sperrten uns in ein von ihnen erschaffenes Gefängnis
– das Labyrinth. Ihre
›Hoffnung‹ richtete sich darauf, daß
wir ›geläutert‹ daraus hervorgehen
würden.
    Wir sind herausgekommen, aber die Kämpfe und die
Mühsal haben uns nicht gebeugt und geschwächt, wie
unsere Feinde es planten.
Das Feuer unserer Prüfungen hat uns zu kaltem, scharfem Stahl
geschmiedet. Wir
sind ein Schwert, unsere Feinde zu zerschmettern; wir sind ein Schwert,
das
eine Krone erobern wird.
    Kehrt zurück. Kehrt zurück zu euren
Pflichten.
Denkt immer daran, wie es sein wird, wenn der Tag kommt, an dem wir
wieder die
Welten beherrschen. Behaltet stets im Gedächtnis, wie es war,
gefangen zu sein
und machtlos.«
    Als er geendet hatte, richteten die Patryn den
Kopf wieder auf. Sie schauten zu, wie ihr Herrscher das Labyrinth
betrat, mit
festem, entschlossenem Schritt, und sie verehrten ihn wie einen Gott.
    Das Tor wollte sich hinter ihm schließen, doch
mit einem scharfen Befehl hieß der Fürst es
innehalten. Nicht weit von dem Tor
entfernt hatte er einen jungen Mann am Boden liegen gesehen. An dem
muskulösen,
tätowierten Körper waren die Spuren furchtbarer
Wunden zu erkennen – Wunden,
die der junge Mann offenbar durch seine eigene Zauberkraft geheilt
hatte, und
doch schienen sie ihn das Leben zu kosten. Der Fürst, der den
jungen Patryn
besorgt untersuchte, gewann den Eindruck, daß er nicht mehr
atmete.
    Als er sich bückte und die Hand ausstreckte,
weil er am Hals des jungen Mannes nach dem Puls fühlen wollte,
ließ ihn ein
leises Knurren zurückzucken. Ein struppiger Kopf kam hinter
der Schulter des
Bewußtlosen – oder Toten – zum Vorschein.
    Ein Hund, stellte der Fürst verwundert fest.
    Auch das Tier war schwer verletzt. Obwohl das
Knurren drohend klang, war der Hund nicht in der Lage, den Kopf erhoben
zu
halten. Die Schnauze sank matt wieder auf die blutigen Vorderpfoten.
Doch das
Knurren hielt an.
    »Wenn du ihm etwas antust«, schien es zu
sagen,
»werde ich irgendwie die Kraft finden, dich in
Stücke zu reißen.«
    Nur selten zeigte sich ein Lächeln auf dem
Gesicht des Fürsten, aber jetzt lächelte er, als er
das weiche Fell des Hundes
streichelte.
    »Ganz ruhig, kleiner Bruder. Ich will deinem
Herrn nichts Böses.«
    Der Hund ließ sich beschwichtigen. Er kroch auf
dem Bauch über den Boden, hob mühsam den Kopf und
schnupperte am Hals des
jungen Mannes. Die Berührung der kalten Nase weckte den
Patryn. Er blickte auf,
wurde des Fremden ansichtig, der sich über ihn beugte, und
getrieben von dem
Instinkt, der ihm das Überleben ermöglicht hatte,
bemühte er sich aufzustehen.
    »Du bedarfst keiner Waffe gegen mich, mein
Sohn«, sagte der Fürst. »Du stehst vor dem
Letzten Tor. Dahinter liegt eine
neue Welt – eine Welt des Friedens und der Sicherheit. Ich
bin ihr Herrscher,
und ich heiße dich willkommen.«
    Der junge Mann hatte sich auf Hände und Knie
aufgerichtet. Während er schwankend am Boden kauerte, hob er
den Kopf und
schaute durch das Tor. Ein Schleier lag vor seinen Augen, und er
vermochte kaum
etwas von den Wundern dort draußen zu erkennen, trotzdem

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