Elfenstern
Calandra strich sich einige Haarsträhnen aus dem Gesicht,
tastete nach ihrem
strengen Dutt und steckte mit energischen Bewegungen die
monströsen Haarnadeln
fester. »In letzter Zeit geht alles schief. Nicht genug
damit, daß ich mir um
Vater Sorgen machen muß, jetzt habe ich auch noch diesen
übergeschnappten alten
Mann am Hals! Ganz zu schweigen von Aleatha und dieser aberwitzigen
Hochzeit …«
Paithan legte der älteren Schwester die Hand auf
die knochige Schulter. »Laß Thea den Willen,
Callie. Durndrun ist gar kein
übler Bursche. Und wenigstens ist er nicht wegen des Geldes
hinter ihr her.«
Calandra schnaufte verächtlich und wich der
Berührung ihres Bruder aus.
»Laß sie den Burschen heiraten
…«
»Ich soll sie lassen!« Calandra
explodierte.
»Ich werde dabei nicht viel zu sagen haben, dessen kannst du
sicher sein! Oh,
du hast gut grinsen, Paithan Quindiniar, aber du bist weit weg und
brauchst den
Skandal nicht mitzuerleben. Diese Heirat wird das Gespräch der
Saison. Ich habe
gehört, daß die alte Fürstin sich ins Bett
legen mußte, als sie die Neuigkeit
erfuhr. Sie wird sich an die Königin wenden, da habe ich nicht
den geringsten
Zweifel. Und natürlich bleibt es wieder an mir
hängen, die Wogen zu glätten.
Vater ist ja alles andere als eine Hilfe.«
»Worum geht es, meine Liebe?« fragte eine
milde
Stimme hinter ihnen.
Lenthan Quindiniar stand in der Haustür, neben
ihm der alte Mann.
»Ich sagte eben, du wärst keine Hilfe
dabei,
Aleatha diese verrückte Idee auszureden, Lord Durndrun zu
heiraten«, schnappte
Calandra ungehalten.
»Aber warum sollten sie nicht heiraten? Wenn sie
einander lieben …«
»Lieben? Thea?« Paithan lachte prustend.
Als er
den verwirrten Ausdruck auf dem Gesicht seines Vaters bemerkte und die
gerunzelte Stirn seiner Schwester, beschloß der junge Elf,
daß es höchste Zeit
war, sich auf den Weg zu machen. »Ich muß mich
eilen, sonst glaubt Quintin
noch, ich wäre durchs Moos gefallen oder von einem Drachen
verspeist worden.«
Er gab seiner Schwester einen Kuß auf die kalte, magere
Wange. »Du wirst Thea
keine Steine in den Weg legen, oder?«
»Ich fürchte, sie wird sich ohnehin nicht
aufhalten lassen. Seit Mutter starb, hat sie immer und in allen Dingen
ihren
Kopf durchgesetzt. Vergiß nicht, was ich dir gesagt habe, und
komm gesund
zurück.« Calandra spitzte die Lippen und streifte
flüchtig Paithans Kinn. Der
Kuß war nicht viel sanfter als der Schnabelhieb eines Vogels,
und Paithan
unterdrückte den Impuls, sich das Kinn zu massieren.
»Vater, auf Wiedersehen.« Sie
schüttelten sich
die Hände. »Und viel Glück mit den
Raketen.«
Lenthans Gesicht hellte sich auf. »Hast du
letzte Nacht zugesehen? Herrliche Feuerbälle über den
Wipfeln. Wir haben eine
beachtliche Höhe erreicht. Ich wette, man konnte die Blitze
sogar bis Thillia
sehen.«
»Das glaube ich auch, Vater«, stimmte
Paithan
zu. Er wandte sich an den alten Mann. »Zifnab
…« »Wo?« Der Alte wirbelte
herum.
Paithan hüstelte und verkniff sich ein
Lächeln.
»Nein, Sir. Ich meine Euch. Euer Name.« Der Elf
streckte ihm die Hand entgegen.
»Erinnert Ihr Euch? Zifnab?«
»Ah, sehr erfreut, Euch kennenzulernen,
Zifnab«,
sagte der alte Mann und ergriff die dargebotene Hand.
»Wißt Ihr, daß der Name
mir bekannt vorkommt? Sind wir verwandt?«
Calandra gab ihm einen leichten Schubs. »Es wird
höchste Zeit, Paithan.«
»Grüß Thea von mir!«
Seine Schwester kniff die Lippen zusammen und
schüttelte grimmig den Kopf.
»Alles Gute, Sohn«, meinte Lenthan
sehnsüchtig.
»Ich muß sagen, hin und wieder habe ich das
Gefühl, ich sollte auch nochmal
eine Reise unternehmen. Vielleicht würde es mir gefallen
…«
Paithan sah, wie Calandras Augen sich verengten,
und holte tief Luft. »Laß mich das Reisen
für dich übernehmen, Vater. Du mußt
hierbleiben und an deinen Raketen arbeiten. Immerhin sollst du das Volk
vor dem
Verderben retten und so weiter.«
»Ja, du hast recht«, antwortete Lenthan
wichtig.
»Und am besten fangen wir gleich jetzt an. Kommt Ihr,
Zifnab?«
»Was? Oh, meint Ihr mich? Ja, lieber Freund. Nur
ein Momentchen. Es wäre nicht schlecht, den Anteil an
Sinkbaumasche zu
vergrößern. Ich glaube, dadurch erzielen wir
größeren Schub.«
»Ja, natürlich! Warum habe ich nicht
früher
daran gedacht!« Lenthan strahlte, winkte geistesabwesend
seinem Sohn und eilte
ins
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