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Elfenstern

Titel: Elfenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Weis , Tracy Hickman
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Regen auf das Schiff herab, das bereits bei der Durchfahrt durch das
Todestor
beschädigt worden war. Hier erstreckte sich der Himmel
wolkenlos, bedrückend
gewaltig – und nichts war zu sehen als die
gleißende Sonne.
    Der eintönige Himmel übte auf Haplo eine
hypnotische Wirkung aus. Er riß den Blick davon los und trat
zu dem Sigelstein
auf der Brücke. Er legte die Hände links und rechts
um den Obsidian und schloß
damit den Kreis: linke Hand, linker Arm, Körper, rechter Arm,
rechte Hand und
zwischen den Händen die Kugel. Er nannte die Runen. Der Stein
begann unter
seinen Händen blau zu leuchten, das Licht durchdrang seine
Finger, bis er die
Adern darin erkennen konnte. Er wurde greller, und er kniff die Augen
zusammen.
Noch heller, bis plötzlich intensiv blaue Strahlen aus der
Kugel hervorschossen
und sich nach allen Richtungen ausbreiteten.
    Geblendet drehte Haplo den Kopf zur Seite. Er
mußte die Kugel beobachten. Sobald einer der
Navigationsstrahlen auf feste
Materie traf – Land, hoffentlich –, wurde er zum
Schiff reflektiert und
aktivierte eine andere Rune, die mit ihrem roten Schimmer einen
möglichen Kurs
bezeichnete. Haplo konnte dann in die angegebene Richtung steuern.
    Vertrauensvoll gespannt wartete er.
    Nichts.
    Geduld war eine Tugend, die die Patryn im
Labyrinth gelernt hatten. Einmal die Geduld verlieren und
unüberlegt handeln,
und das Labyrinth gewann die Oberhand. Wenn man Glück hatte,
bedeutete es den
Tod. Wenn man überlebte, blieb man von dieser Lektion ein
Leben lang
gezeichnet. Aber man lernte.
    Die Hände um den Sigelstein gelegt, wartete
Haplo.
    Neben ihm saß der Hund mit gespitzten Ohren und
wachen Augen, das Maul zu einem erwartungsvollen Lächeln
geöffnet. Die Zeit
verstrich. Der Hund legte sich, die Vorderläufe ausgestreckt,
während der
buschige Schwanz über den Boden wischte. Die Zeit verstrich.
Der Hund gähnte.
Der Kopf sank auf die Vorderpfoten, in die auf Haplo gerichteten Augen
trat ein
vorwurfsvoller Ausdruck. Haplo wartete. Die blauen Strahlen waren
längst
erloschen. Das einzige, was er am Himmel sehen konnte, waren die
gleißenden
Sonnen, die an eine Münze erinnerten.
    Haplo begann sich zu fragen, ob das Schiff
überhaupt noch flog. Dank der überall auf dem Schiff
wirksamen Magie knarrten
weder die Taue, noch regten sich die Flügel; das Schiff
verursachte kein
Geräusch. Haplo hatte keinen Bezugspunkt, er sah keine Wolken
vorüberziehen,
sah kein Land auftauchen oder entschwinden, es gab keinen Horizont. Der
Hund
legte sich auf die Seite und schlief ein.
    Die Runen unter Haplos Händen blieben dunkel und
leblos.
    Er spürte, wie die kleinen, scharfen Zähne
der
Furcht an ihm zu nagen begannen. Er redete sich ein, daß er
ein Angsthase war,
ein Dummkopf; es gab nichts, wovor man sich fürchten
mußte.
    »Genau!« antwortete eine Stimme in seinem
Innern. »Es gibt nichts. Nichts.«
    Vielleicht funktionierte die Kugel nicht
richtig? Haplo schob diesen Gedanken sofort beiseite. Magie war niemals
fehlerhaft. Die sie anwandten, begingen Fehler, aber Haplo war sicher,
daß ihm
bei der Aktivierung der Strahlen keiner unterlaufen war. Er stellte sie
sich
vor, wie sie mit unvorstellbarer Geschwindigkeit ins Nichts tauchten.
Über
ungeheure Entfernungen hinweg. Was hatte es zu bedeuten, wenn sie nicht
zurückkehrten?
    Haplo dachte nach. Ein Lichtstrahl in einer
dunklen Höhle reicht bis in eine gewisse Entfernung, dann wird
er schwächer und
verblaßt schließlich ganz. An seinem Ausgangspunkt
ist der Strahl hell und
konzentriert, doch je weiter er sich von seinem Ursprung entfernt,
desto
stärker wird die Diffusion. Haplo überlief ein
Schauer, die Haare an seinen
Armen richteten sich auf. Gleichzeitig erwachte der Hund, fletschte die
Zähne
und knurrte.
    Die blauen Strahlen waren ungeheuer stark. Sie
konnten unvorstellbare Entfernungen zurücklegen, bevor sie zu
schwach wurden,
um noch reflektiert werden zu können. Oder vielleicht waren
sie auf eine Art
von Hindernis getroffen? Langsam nahm Haplo die Hände von der
Kugel.
    Er kauerte sich neben den Hund und streichelte
ihn beruhigend. Das Tier spürte, daß sein Herr sich
Sorgen machte, schaute ihn
bekümmert an, als wolle es fragen, was zu tun sein.
    »Ich weiß es nicht«, murmelte
Haplo und starrte
in den flimmernden, leeren Himmel.
    Zum erstenmal in seinem Leben fühlte er sich
vollkommen
hilflos. Während des

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