Elfenwinter
gingen auf die Geisterwind nieder. Orgrim hatte schon in der vergangenen Nacht die Segel abnehmen lassen, um sein Schiff weniger anfällig gegen diese heimtückischen Geschosse zu machen. Nur von Rudern angetrieben, war die große Galeasse zwar erbärmlich langsam, doch wog die verminderte Brandgefahr diesen Nachteil reichlich auf. Überall auf den Decks standen mit Wasser gefüllte Eimer. Orgrim hatte eigene Löschgruppen aufgestellt, die keine andere Aufgabe in diesem Gefecht hatten, als Brände zu ersticken. Ein dumpfer Schlag erschütterte die Geisterwind. Die Galeasse war längsseits der Hafenmauer gegangen. Von den oberen Mastkörben versuchten Steinwerfer, die Bogenschützen auf der Mauer auszuschalten.
Immer mehr Geschosse prasselten auf die Geisterwind ein. Alle Bogenschützen und alle verfügbaren Katapulte in Reichweite schienen nun allein dieses Schiff zum Ziel auserkoren zu haben.
Zufrieden sah Orgrim, dass alle drei Reißzähne einsatzbereit waren. Wie Raubtierzähne sahen die langen Dornen an der Unterseite der Enterbrücken aus. Hölzerne Kiefer, bereit, in die Hafenmauer zu beißen. »Hisst die Lederwände!«, rief Orgrim. Dann nahm er seinen Schild und stieg vom Achterkastell. Er würde den Angriff über den Hauptmast anführen. Orgrim war fest entschlossen, der erste Troll zu sein, der seinen Fuß auf die Mauern Reilimees setzte.
Torgroße Rahmen wurden an den Rahen hochgezogen. Sie waren mit nassen Lederhäuten bespannt. So würden sie einen Teil der Brandpfeile abfangen, vor allem aber den Beschuss der Entermannschaften erschweren, die in die Masten stiegen.
Der Rudelführer schlang sich den Schild über den Rücken und prüfte, ob sein Kriegshammer sicher im Gürtel saß. »Rauf auf die Mauer! Schlagt diesen jämmerlichen Wichtlein die Schädel ein!« Orgrim enterte die Wanten, dutzende Krieger folgten ihm. Die Decks und Masten hallten wider vom Kriegsgeschrei. Zufrieden sah der Rudelführer, wie etliche Pfeile in die Schutzwände schlugen. Sein Plan ging auf! Am Ende der Wanten zog er sich in den Mastkorb. Kräftige Hände halfen ihm hinauf. Fast gleichzeitig hatte Gran den Mastkorb am Vormast erreicht. Dieser Bastard glaubte doch nicht etwa, dass er als Erster auf der Festungsmauer stehen würde?
»Die Reißzähne nieder!«, rief Orgrim.
Krachend schlugen die schweren Enterbrücken der Geisterwind auf die Zinnen der Hafenmauer. Der Rudelführer schob den Arm durch die Lederschlaufen seines schweren Schildes. Schützend hob er die dicken Eichenbretter vor seine Brust, so-dass er gerade noch über den Rand blicken konnte. Er spürte die Unruhe der Krieger hinter sich. Eine Steinkugel aus den merkwürdigen Elfenkatapulten strich dicht über seinen Kopf hinweg und riss Splitter aus dem Hauptmast.
Orgrim zog den Kriegshammer aus seinem Gürtel. Er war entschlossen, den Mauerabschnitt, der vor ihm lag, einzunehmen. Er würde sich seinen Herzogstitel schon verdienen. Und sei es, dass er Herzog so einer verfluchten Elfenstadt wie Reili-mee wurde!
Die Enterbrücke vibrierte unter seinen Füßen. Nur wenige Schritte, und er war bei der Mauer. Speere reckten sich ihm entgegen. Er schob sie so mühelos zur Seite, als seien es Schilfrohre. Mit einem Satz war er auf dem Wehrgang. Die Verteidiger standen zu dicht. Sie konnten seinen Hieben nicht ausweichen. Brüllend schwang er den Kriegshammer über seinem Kopf.
Ein Rudelführer der Elfen schrie seinen Männern zu, sich zurückzuziehen. Pfeile schlugen in Orgrims Schild.
Die Verteidiger hier auf der Mauer waren viel weniger geschickt als die Elfenkrieger, die auf dem Schiff der falschen Königin gekämpft hatten. Sie waren nicht minder tapfer, aber sie konnten ihn nicht aufhalten. Sein schwerer Kriegshammer zerschmetterte Schilde, Helme, Schädel, alles, was ihm in den Weg kam. Mit Schildstößen ließ er Krieger von der Mauer purzeln. Seine Krieger fluchten wütend hinter Orgrim. Sie kamen nicht an ihm vorbei. Der Gang auf der Mauer war so eng, dass gerade einmal zwei Trolle nebeneinander kämpfen konnten, ohne sich gegenseitig zu sehr zu behindern.
Immer schneller ging es voran. Manche Elfen sprangen lieber über die Brustwehr, als unter seinen Streithammer zu geraten. Die hellen Bodenplatten auf der Mauer waren glitschig vom vielen Blut. Möwen kreisten über dem Turm vor ihm. Sie kreischten, als wollten sie die Kämpfenden anspornen.
Orgrim sah, wie sich die Tür des Turms schloss. Die Elfen, die es nicht mehr in Sicherheit geschafft hatten,
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