Elfenwinter
verstehen, dass du dich so sehr an die Gesetze deines Volkes gebunden fühlst, dass du dich dem Befehl der Königin widersetzt und Ollowain nicht das Kommando überlassen kannst. Deshalb schlage ich einen Kompromiss vor. Übertrage mir das Kommando. Nach den Gesetzen der Normirga gelte ich als erwachsen, denn ich kann mich mit Leichtigkeit mit meiner Magie gegen die Kälte schützen. Doch was noch schwerer wiegt, Emerelle hat mir den größten Schatz des Elfenvolkes anvertraut.«
Sie zog unter ihrem zerschlissenen Gewand einen rauen Stein hervor, durchzogen von fünf tiefen Furchen. Er wirkte unscheinbar. Wie ein Stück Bruchstein. Und doch erhoben die fünf Furchen ihn zu einem Schmuckstück, ja zu einem Meisterwerk schlichter Harmonie. Er war auf seine Art vollkommen.
»Glaubst du, du kannst mir das Schicksal von Phylangan anvertrauen, wenn Emerelle mich für würdig befand, mich zur Hüterin des Albensteins zu berufen?«
Ollowain verschlug diese Dreistigkeit die Sprache. Kannte diese Diebin und Verräterin denn keine Scham? Er musste sie aufhalten!
Lyndwyn blickte ihn an. »In allen militärischen Belangen werde ich mich dem Rat des Schwertmeisters anvertrauen. Emerel-le wollte, dass er die Verteidigung dieser Festung leitet. Ich werde nur die Stimme sein, die seine Befehle trägt. So muss sich keiner deiner Männer dem Wort eines Kriegers unterwerfen, der in den Augen deines Volkes niemals die Mannbarkeit erlangt hat. Auf diese Weise achten wir die Gesetze der Normir-ga, und zugleich geschieht Emerelles Wille. Wir… «
Mit ohrenbetäubendem Fauchen schoss eine Fontäne von Wasserdampf aus einem der Quellpfeiler, der sich in der Nähe des Pavillons erhob. Eine dichte weiße Wolke strebte dem falschen Himmel über ihnen entgegen.
Der Fürst war an eine der Säulen des Pavillons getreten. Er wirkte besorgt. Ja, fast schien es, als beschäftige ihn der Dampfausbruch mehr als ihr Streit.
»Dein Vorschlag zeugt von großer Weisheit, Lyndwyn. Ich lege Phylangan in deine Hände, Magierin.« Ollowain konnte nicht fassen, was geschehen war. Diese Intrigantin hatte es binnen weniger Augenblicke geschafft, mit ihren dreisten Lügen das Kommando über eine riesige Festungsstadt an sich zu reißen. Und er konnte nicht gegen sie einschreiten!
Wenn er verriet, dass Lyndwyn den Albenstein gestohlen hatte, würde Landoran ihn ihr vermutlich einfach abnehmen und erklären, es sei zum höheren Wohle aller, wenn sich das mächtige Artefakt in seiner Obhut befinde.
Ohnmächtig vor Wut blickte der Schwertmeister zu der Dampfwolke, die sich immer weiter ausdehnte. Phylangan hatte die weiße Fahne gehisst, und das Schicksal der Stadt lag nun in den Händen jener Elfe, die auch schon den Untergang von Vahan Calyd herbeigeführt hatte. Und er? Er war genauso hilflos wie damals, als sie den Vogel in den Nachthimmel geschickt und das Signal zur Beschießung des Hafens gegeben hatte. Nein, nicht ganz. Diesmal wusste er, wo der gefährlichste Feind seines Volkes stand!
VON DER TROLLE NOT
Manche Mären mühen der "Worte wunders viel,
Von kühner Krieger Kämpfen, mit List im Blick das Ziel,
Von fröhlich frechen Festen, von kummervollen Klagen,
Da höret nun den Zeugen, nicht den Sänger sagen.
An karger Klippenküste der Elfen Stadt erstrahlte,
"Wo sengend Sonne stach, wo Reichtum leuchtend prahlte,
^Wo wilde "Wellen wogten, da lag der Stolzen Stadt,
Die einst man mit Bedacht Reilimee geheißen hat.
Tapfer trugen Trolle den Krieg vor ihre .Mauern.
"Wo Kriegerkeulen klangen, da gab es kein Bedauern.
"Wo Schiffe schwammen, der Schnitter schwang sein Blatt,
Da vor der starken Stadt, die man Reilimee geheißen hat.
Tausend Tote türmten sich unter stolzen Zinnen,
"Wo Mühen nicht noch Mut halfen zu entrinnen.
"Wo Königsklage klang, der Listenreiche tat
den ersten Schritt zur Mauer, die Reilimee umgürtet hat.
Aus DEM »NACHTZINNENCODEX«,
ÜBERSETZT VON BRUDER GUNDAHER,
BAND VI DER TEMPELBIBLIOTHEK ZU FIRNSTAYN, S. 139
REISSZÄHNE UND RAMMBÖCKE
»Steuerbordruder einholen!«, rief Orgrim aus Leibeskräften, um den Lärm des Gefechtes zu übertönen.
»Steuerbordruder einholen!«, hallte es wie ein Echo aus dem Rumpf der Geisterwind. Skanga hatte ihm, dem Schiffeversenker, ihre Galeasse überlassen. Sie war zwar nicht an Bord, was man als Ausdruck eines gewissen Misstrauens verstehen mochte, aber sie hielt ihn für fähig, diesen tollkühnen Angriff durchzuführen, und hatte auch alle Umbauten am Schiff
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