Elfenwinter
sein Fleisch. Mit einem Ruck riss Orgrim seinen Schild hoch und zersplitterte den Speerschaft. Dann ließ er seinen Kriegshammer fallen und griff nach der Waffe seines Gegners. Mühelos entrang er dem Kentauren den Speer. Er drehte den Schaft zwischen den Fingern und stieß dem Pferdemann das zersplitterte Ende in die Brust.
Die Reihen der Kentauren begannen zu wanken. Ihre Hufe fanden auf dem Eis kaum Halt. Die Trolle drängten sie zurück, und plötzlich brach Panik unter den Pferdemännern aus. Or-grim sah einen schwarzbärtigen Kerl mit einem Langschwert, der fluchend versuchte, die Reihe zusammenzuhalten. Doch schließlich musste auch er sich in das Unvermeidliche fügen. Der Angriff war zurückgeschlagen.
Die Trolle ringsherum schrien den Flüchtenden Beleidigungen hinterher und machten sich über die Verwundeten her.
Auch die Menschen hatten sich zurückgezogen, um dem Feuer der Katapulte zu entgehen. Überall auf dem Eis lagen Tote.
MUT
Alfadas hatte seine Truppen im Eilmarsch von der Hügelgruppe fortgeführt. Gegen die Stellung mit den Katapulten anzustürmen war Selbstmord. Die Kentauren hatte er nicht mehr aufhalten können, und sie hatten einen hohen Preis für ihren Übermut bezahlt. Es war richtig gewesen, die Schlacht abzubrechen. All seine Pläne hatten sich ins Gegenteil verkehrt. Es sollten die Trolle sein, die unter tödlichem Beschuss gegen ihre Formation aus Piken anstürmten. Doch der Feldherr der Feinde hatte sie gezwungen, ihn anzugreifen. Wer dieser Kerl wohl war?, fragte sich Alfadas, und er musste sich eingestehen, ein völlig falsches Bild von den Trollen gehabt zu haben. Bisher waren sie für ihn so etwas wie Raubtiere gewesen. Geschöpfe, die allein ihren Instinkten folgten. Doch wer immer auf der anderen Seite das Kommando hatte, verstand es zu denken. Obwohl der Angriff ihn überrascht haben musste, hatte er es geschafft, alles zu seinem Vorteil zu wenden.
Der Rückzug erschütterte die Moral der Menschen. Sicher, sie hatten den Flüchtlingszug der Elfen vor den Trollen gerettet, aber sie waren auch vor dem Feind geflohen, den zu bekämpfen sie so viele Mühen auf sich genommen hatten. Alfadas wusste, dass er zu seinen Männern sprechen musste. So wie es nun aussah, waren all die langen, harten Tage der Ausbildung vergebens gewesen, und sie standen einem Feind gegenüber, der sie niedermetzelte, ohne dass es überhaupt zu einem Nah-
kampf kam. Die Nacht durfte nicht verstreichen, ohne dass er den Mut seiner Männer wieder festigte!
Wie an den Abenden zuvor hatten sie ihr Lager mit Planen aus schwerem Segeltuch abgespannt, um sich gegen den Wind zu schützen, und einige Feuerbecken aufgestellt. Auch die Flüchtlinge richteten sich für die Nacht ein. Einige Kinder beobachteten neugierig die Menschen. Manche brachten kleine Geschenke, um sich für ihre Rettung zu bedanken. Doch kaum jemand vermochte sich mit den Fremden zu verständigen. Alfa-das wollte gerade auf einen Schlitten steigen, um seinen Männern eine ermutigende Rede zu halten, als Lambi ihn am Arm zurückhielt.
»Tu das nicht, Feldherr. Du triffst die richtigen Entscheidungen, und du bist niemandem Erklärungen schuldig. Du schadest dir, wenn du dich jetzt entschuldigst.«
»Aber es muss etwas gesagt werden«, beharrte Alfadas. »Sie dürfen sich nicht für Verlierer halten.« Lambi rieb sich seine verstümmelte Nase. »So wie ich das sehe, hast du uns durch deine Befehle vor einer Niederlage bewahrt. Lass mich eine Rede halten. Ich werde den Jungs schon die Köpfe zurechtrücken. Vertrau mir!«
Alfadas zögerte. Wenn ein Halunke wie Lambi die Worte vertrau mir aussprach, dann bewirkte er damit genau das Gegenteil. Und der Kriegsjarl schien sich dessen bewusst zu sein.
Lächelnd musterte er Lambi, als könne dieser in seinen Gedanken lesen. »Rede«, sagte er schließlich. Sie würden hier nur überleben, wenn sie taten, was Lambi eingefordert hatte: einander vertrauen.
Durch die Katapulte der Trolle waren siebenunddreißig Krieger gefallen. Das hatte tiefe Wunden im Vertrauen der Männer hinterlassen. Vielleicht war Lambi ja der geeignete Heiler? Die Krieger unter seinem Kommando hatten den Rückzug jedenfalls locker weggesteckt. Sie lachten bereits wieder an ihren Feuern.
Der Kriegsjarl stieg auf einen der Schlitten. Er räusperte sich, doch nur wenige Männer beachteten ihn. Es war schlimmer, als Alfadas erwartet hatte. Die meisten Krieger starrten einfach nur in die Flammen. Sie wollten nichts
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