Elfenwinter
Wie ein kleines Kind schüttelte dieser ihn zur Seite. Er fiel in den Schnee. Schwere Füße stampften an ihm vorbei. Immer mehr Feinde drängten durch die Bresche, und er hatte keine Waffe mehr, sie zu bekämpfen. Tränen der Wut standen dem Fischer in den Augen, als er sich aufraffte und zu laufen begann. Er musste es bis zur Barrikade schaffen. Vielleicht konnten sie die Trolle dort noch einmal kurz aufhalten.
Die dünne Linie aus Speerträgern, die er gegen die Bresche geführt hatte, war zerschlagen. Die meisten lagen tot im Schnee. Wer noch lebte, rannte.
Strauchelnd kämpfte sich Kalf vorwärts. Die Trolle kamen im tiefen Schnee besser voran. Ein Stück voraus sah er Asla. Sie versuchte ein paar Männer aufzuhalten und eine neue Kampflinie zu bilden. Hier im offenen Gelände war das ein sinnloser Verzweiflungsakt. Sie würden sofort überrannt werden.
Kalf bückte sich und hob das Schwert eines Toten auf. Dann eilte er an Aslas Seite. Das war das Letzte, was er noch tun konnte: an ihrer Seite sterben. Fortzulaufen war zwecklos. Die Trolle würden sie lange vor der letzten Barrikade einholen.
Der Fischer sah, wie Kodran gepackt wurde. Ein Troll griff in sein Haar und riss ihn nach hinten. Sein Fuß krachte auf die breite Brust des Fährmanns. Es war eine Geste, als wolle der Troll Ungeziefer zertreten. Der Fährmann spuckte Blut und blieb reglos liegen.
Asla berührte sanft Kalfs Arm. »Du bist immer da«, sagte sie traurig. »Ich wünschte, ich hätte das früher begriffen.«
Der Troll, der den Fährmann getötet hatte, kam auf sie zugerannt. Er schwang eine große Keule. So also sieht der Tod aus, dachte Kalf.
Ein fremdes Wort klang durch die Nacht. Leise und doch eindringlich. Ihr Gegner ließ seine Keule sinken. Wie durch Zauberbann verharrten die Kämpfenden. Eine zierliche Gestalt in einem weißen Hemd löste sich aus dem Schatten des Waldes. Die Elfenkönigin war erwacht!
»Geh zurück!«, rief Asla. »Rette die Kinder!«
Emerelle kam nun genau auf sie zu. »Du also bist Asla«, sagte sie freundlich. »Ich danke dir für deine Gastfreundschaft.«
Kalf beobachtete, wie die Trolle sich ein wenig zurückzogen und zu kleinen Gruppen zusammenrotteten. Sie alle blickten auf die Königin. Manche gestikulierten wild. Der Frieden bröckelte.
»Geh und rette die Kinder!«, bat Asla noch einmal.
»Das werde ich tun. Bitte verzeih mir. Dieser Krieg hätte niemals in die Welt der Menschen getragen werden dürfen. Ich habe das nicht gesehen… Ich… Die Trolle sind um meinetwillen hier. Wenn ich mich stelle, dann werden die Kämpfe enden.«
»Nein, so darf es nicht enden!«, begehrte Asla auf. »So viele sind für dich gestorben. Du darfst dich jetzt nicht einfach ergeben!«
»Das ist der einzige Weg, die Kinder zu beschützen. Wenn ich gefangen bin, gibt es keinen Grund mehr für weitere Kämpfe. Lebe wohl, Asla, und verzeih mir, wenn du kannst.«
Ein einzelner Krieger kam Emerelle entgegen. Auf seiner Glatze spiegelte sich das Mondlicht. Die Elfe und der Troll wechselten ein paar Worte. Dann gab der Krieger seinen Männern ein Zeichen, sich zurückzuziehen. Tränen der Wut rannen Asla über die Wangen. Kalf legte ihr einen Arm um die Schultern. »Es ist vorbei.«
»Gar nichts ist vorbei! Welche Macht hat Emerelle als Gefangene? Wie sollte sie die Trolle davon abhalten, uns morgen aufs Neue anzugreifen? Diese Bestien fressen uns. Sie werden wieder kommen. Emerelle hätte nicht gehen dürfen!«
»Aber vielleicht… «
Asla befreite sich aus seiner Umarmung. »Nein, vielleicht ist nicht genug. Dort oben ist mein letztes lebendes Kind. Ich werde Kadlin holen und alle, die mit mir gehen wollen. Nutzen wir die Zeit und fliehen tiefer in die Berge.«
»Ich werde nicht mit dir gehen. Mein Platz ist bei der letzten Barrikade. Wenn die Trolle uns verraten, werde ich sie dort so lange wie möglich aufhalten. Und wenn sie abziehen, dann komme ich in die Berge, um dich zu holen.«
»Ich…« Asla biss sich auf die Lippen. »Ich warte auf dich.« »Luth wird uns schützen«, sagte Kalf zuversichtlich. Er vertraute auf den Schicksalsweber. Der Gott war ihm immer gnädig gewesen.
Asla senkte den Blick. »Vielleicht«, sagte sie leise. Dann ging sie hinauf zum Dorf.
OHNE EHRE
Blut sprang wild kläffend am schmalen Uferstreifen entlang. Der Troll war zu groß, um sich in der engen Höhle ganz aufrichten zu können. Er musste auf allen vieren knien, um aus dem Wasser zu gelangen. Dabei schwang er eine Keule,
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