Elfenwinter
bewegen ließ.
Yilvina stöhnte auf. Sie sah Ulric an, und Tränen standen ihr in den Augen.
»Entschuldige«, flüsterte der Junge.
Die Elfe nickte schwach. Ihre Lippen zitterten. Ulric musste sich dicht über sie beugen, um verstehen zu können, was sie sprach. »Mein Schwert… Gib es… mir.«
»Was will Yilvina?«, fragte Halgard.
»Ihre Waffe.«
»Was nutzt ihr die?«
»Das verstehst du nicht!«, entgegnete Ulric entschieden. »Sie ist eine Kriegerin. Es wird ihr besser gehen, wenn ihr Schwert neben ihr liegt.«
»Das verstehe ich wirklich nicht«, entgegnete Halgard gekränkt. »Genau genommen kommt es mir sogar wie ziemlicher Unsinn vor.«
Ulric antwortete darauf nicht. Er wollte jetzt keinen Streit. Im Übrigen setzte sich Halgard meistens durch, wenn sie stritten. Sie fand einfach die besseren Worte, und er fühlte sich hinterher immer wie ein ausgemachter Dummkopf. Manchmal gingen ihm noch Stunden nach dem Gezänk Halgards Worte durch den Kopf. Er legte sich alle möglichen Antworten zurecht. Aber dann war es zu spät. Sie stritten nur selten zweimal über dieselbe Sache.
Der Junge blickte sich in der Höhle um. Es war Yilvinas Wunsch, ihr Schwert zu bekommen. Da gab es nichts mehr zu bereden!
Der Unterschlupf war nicht sonderlich groß. Ulric konnte gerade einmal aufrecht stehen, ohne sich den Kopf zu stoßen. Sie waren von grauem Felsgestein umgeben, durch das weiße und rostfarbene Adern liefen. Die Höhle war unregelmäßig geformt. Es gab einige Nischen, in die kaum das Licht des Feuers drang.
Der Junge sah das Schwert nahe der rückwärtigen Wand am Boden liegen. Müde ging er hinüber. Alles, was er noch wollte, war, sich am Feuer auszustrecken und zu schlafen.
Das unstete Licht ließ seinen Schatten grotesk verzerrt über die unregelmäßige Höhlenwand tanzen. Ulric bückte sich. Dicht vor ihm wich die Wand zurück. Das Wasser hatte eine längliche Nische aus dem Fels gewaschen. Und dort war etwas… Jemand… Hastig griff Ulric nach dem Schwert. Ein Krieger in grüner Rüstung lag dort und schlief!
»Ist etwas?«, fragte Halgard.
»Still!«, zischte Ulric. Er spähte angestrengt ins Halbdunkel der Nische. Der Schläfer bewegte sich nicht. Langsam gewöhnten sich die Augen des Jungen an die Dunkelheit. Der Mann trug einen grünen Flügelhelm. Sein Gesicht war hinter breiten Wangenklappen verborgen. Eine grüne Brustplatte reichte dem Krieger bis zu den Hüften. Seine bleichen Hände hielten ein kostbares Schwert mit breiter Klinge umklammert. Er trug zerschlissene Hosen aus einem seltsam gemusterten Stoff. Das Leder der Schuhe war ganz verschrumpelt. Mit angehaltenem Atem beugte sich Ulric weiter vor, um dem Mann ins Gesicht zu blicken. Er hatte nie von einem Krieger in grüner Rüstung gehört! So jemand musste doch auffallen!
Ulric kroch bis dicht an die Nische und zwängte seinen Leib hinein. Sein Herz klopfte wie rasend. Er durfte den Schläfer nicht berühren! Luth allein wusste, was das für ein Kerl war. Aus dem Fjordland kam er jedenfalls nicht! Niemand hier trug so seltsame Rüstungen.
Der Junge verdrehte den Kopf. Er musste sich mit einer Hand gegen die Decke der Nische abstützen, um nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten. Noch ein paar Zoll. Endlich! Das Gesicht war blass… Nein! Erschrocken zuckte Ulric zurück und schlug mit dem Kopf gegen die Decke. Er geriet aus dem Gleichgewicht und stürzte quer über den Leib des Mannes. Doch der würde nicht erwachen. Nie mehr. Unter dem Helm verbarg sich ein Totenschädel.
Blut war aufgesprungen und eilte an Ulrics Seite. Neugierig schnuppernd drängte er sich in die Nische, und Ulric hatte seine liebe Mühe, den großen Hund von dem Toten fern zu halten. Vorsichtig über den Boden tastend, kam auch Halgard herbei. Sie ließ sich den Toten genau beschreiben.
Jetzt entdeckte Ulric seitlich in der Brustplatte zwei Löcher. In einem steckte noch ein verrotteter Holzschaft. An die Decke der Nische war etwas mit fast verblichener, brauner Farbe gemalt. Eine Spinne! Das Zeichen Luths. »Und seine Rüstung ist ganz grün?«, fragte Halgard unvermittelt.
»Ja.«
»Nimm einen Stein und kratz einmal daran.«
Ulric traute seine Ohren kaum. Was war das wieder für eine Idee? Darauf konnten nur Mädchen kommen! »Tust du es für mich?«, fragte Halgard.
Der Junge seufzte. Ihm war kalt. Er wollte am liebsten zurück zum Feuer. Und er musste Yilvina ihr Schwert bringen. Vorsichtig nahm er die Elfenklinge und schabte damit über die
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