Elfenwinter
Schlafen zu überleben.«
Alfadas bemerkte, wie Ollowain seinem Blick auswich. »Was verschweigst du mir?« Der Elf seufzte. »Die Gewissheit, die du suchst, wirst du vielleicht niemals finden. Das Tal dort oben ist sehr groß. Asla, Kadlin und Kalf können im Schneesturm die Orientierung verloren haben. Niemand kann sagen, wohin sie gegangen sind. So sehr wir auch suchen, wird es mit jedem Tag wahrscheinlicher, dass wir keine Gewissheit haben werden. Du solltest…« Er schüttelte den Kopf. »Nein, wer bin ich, dir zu sagen, was du tun solltest.«
»Wovor weichst du aus? Glaubst du etwa, der Trollfürst hat die Wahrheit gesagt? Ist es das, was du mir nicht sagen kannst?«
»Es stimmt, dass nach der Lawine noch Trolle den Rentiersteig hinaufgekommen sind. Die Flüchtlinge haben sie gesehen.« Er blickte Alfadas zum ersten Mal an. »Du willst wissen, was ich glaube? Ich glaube, dass Dumgar ein Lügner gewesen ist. Er konnte dich nicht mit der Waffe bezwingen, also wollte er dich zumindest mit Worten verwunden. Und das ist ihm auch gelungen. Ich glaube nicht, dass man Asla und Kadlin zu ihm gebracht hat… Das Problem mit dem Glauben ist, dass er ohne Beweise leben muss. Kannst du es ertragen, einfach nur zu glauben?«
»Im Lager unten bei der Palisade hat man Kinderknochen gefunden und auch blondes Haar«, sagte Alfadas niedergeschlagen.
»Und wie viele blonde Frauen gibt es?«, fragte der Elf scharf. »Das beweist gar nichts! Ich habe mit Silwyna in einer Höhle gelagert, in der es die Reste eines großen Feuers gab. Dort lagen auch Menschenknochen. Kinderknochen! Und die Höhle stank noch nach Trollen. Aber es gab keine Blutspuren. Also haben sie wohl nur Vorräte über dem Feuer gebraten.«
»Oder aber die Leichen von Erfrorenen«, sagte der Herzog.
»Ja, auch das ist möglich. Du wirst keine Gewissheit finden, Alfadas. Ich bin für dich in dieses Tal geritten, um als dein Freund deine Zweifel zu besiegen. Doch ich bin gescheitert. Aber in der Ungewissheit liegt auch Freiheit, wenn du stark bist. Du kannst dir selbst aussuchen, was du glauben willst. Und ich glaube, dass Asla ganz bestimmt nicht von Trollen gefressen wurde. Ich habe mit vielen der Flüchtlinge gesprochen, die jene Sturmnacht überlebt haben. Sie haben das Unwetter willkommen geheißen. Sie wollten lieber erfrieren, als von den Trollen gefangen zu werden.«
Alfadas konnte sich gut vorstellen, dass Asla genauso gedacht hatte. Schließlich kannte er ihren kämpferischen Trotz! In Gedanken sah er sie vor sich, wie sie herausfordernd ihr Kinn vorreckte oder die Hände in die Hüften stemmte. Kein Schicksalsschlag hatte sie je umwerfen können. Sie war immer stärker als er gewesen. Wenn sie sich gestritten hatten, so hatte er ihr zuletzt fast immer nachgegeben. Nie mehr ihre Stimme zu hören -das schien ihm unvorstellbar. Aber sie hätte genau das getan, was Ollowain sagte. Mit Kadlin in den Armen wäre sie dem Sturm entgegenmarschiert. Sie hätte lange durchgehalten; sich auf Kalf stützend, wäre sie bis zum Ende ihrer Kräfte weitergegangen. Zuletzt hätte der Fischer wahrscheinlich Asla und Kad-lin getragen. Kalf war ein starker Mann. Und wenn auch er zu Tode erschöpft gewesen wäre, hätte er nach einer windgeschützten Stelle gesucht.
Alfadas standen Tränen in den Augen. Sicher hatten sie Kad-lin zwischen sich genommen, um sie mit ihren beiden Körpern zu wärmen. Dann hatte Firn seinen weißen Mantel über die drei gezogen. Sie waren eingeschlafen, um nicht mehr aufzuwachen. Man spürte keine Schmerzen, wenn der Herr des Winters einen auf diese Weise holen kam, so hieß es.
Ollowain nahm ihn in die Arme. Das hatte er zuletzt getan, als er als kleiner Junge immer und immer wieder von den Elfenfechtschülern besiegt worden war. So sehr er sich auch bemüht hatte, nie war er so flink gewesen wie sie. Der Schwertmeister hatte ihm damals gesagt, dass er trotzdem gewinnen würde, wenn er mehr Treffer einstecken könnte als die anderen. Sie hatten ihn mit den hölzernen Übungsschwertern grün und blau geprügelt. Er hatte es mit zusammengebissenen Zähnen weggesteckt. Und tatsächlich hatte er von da an zumindest manchmal gesiegt.
Alfadas biss die Zähne zusammen. Jetzt war es wieder so. Er musste sie aushalten, die Treffer, die das Leben austeilte. Zumindest war ihm ein wunderbarer Sohn geblieben.
»Ich muss jetzt gehen«, sagte er gefasst. »Du weißt ja, was sie wollen.«
»Ja. Und ich glaube, dass es richtig ist!«
Alfadas war sich
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