Elfenwinter
lassen.«
Die Augen des Jarls leuchteten vor Stolz. »Er ist in der Tat sehr mutig. Er wird ein besserer Anführer sein als ich, denn er weiß, wohin sein Herz gehört.«
Wehmütig dachte Ollowain, dass er nie ein Kind gehabt hatte. Er hatte nicht einmal eine Frau auf Dauer an sich binden können. Immer hatte es etwas in seinem Leben gegeben, das ihm dringender erschienen war. Seit Jahrhunderten hatte er sich ganz dem Dienste an Emerelle verschrieben. Und er war zutiefst davon überzeugt, den richtigen Weg gewählt zu haben, so befremdlich ihm einige Entscheidungen der Königin auch erscheinen mochten. Sie blickte Jahrhunderte voraus. Niemand konnte verstehen, was sie bewegte. Sie führte verborgene Kämpfe, um die Albenkinder zu schützen. List, Intrige und Einschüchterung waren oft genug ihre Waffen, und sie halfen, Kriege zu vermeiden. Ollowain wusste, dass Emerelle nur das Beste für Albenmark wollte. Auch jetzt… Und doch, wenn er an den Untergang Vahan Calyds dachte, quälten ihn Zweifel. Wie viel hatte die Herrscherin gewusst? Welcher Schrecken in der Zukunft rechtfertigte ein solches Opfer? Er würde es nur erfahren, wenn er ihr weiterhin treu diente. Er musste sie retten und die Geduld haben abzuwarten, was die Zukunft brachte. Für den Augenblick jedoch konnte er nichts tun, als darauf zu hoffen, dass Emerelle bald aus ihrem magischen Schlaf erwachte. Oder… Nein, im Gegenteil! Er hatte die Muße, sich mit anderem zu beschäftigen, solange Emerelle ruhte und nicht bedroht war. Allein könnte er gegen die Trolle in Albenmark nichts ausrichten! Nur die Königin hatte die Autorität, alle Albenkinder zum Krieg zu rufen. Niemand anderem würden die Völker folgen.
Ollowain blickte zu Alfadas und dessen Sohn. So frisch waren die Erinnerungen an die Schwertkampfstunden des Jarls. Es hatte ihm Freude bereitet, den Jungen zu formen, sein Talent wachsen zu sehen. Er lächelte verhalten und nickte dann leicht.
»Es wäre mir eine Ehre, wenn ich Ulric einige Schwertkampflektionen erteilen dürfte. Selbst wenn dein Vater das Schwert als unmännliche Waffe verachtete, war er sehr begabt im Um-gang damit. Und mir scheint es, dass auch in deinem Sohn dieses Erbe weiterlebt.«
»Welchen besseren Lehrer könnte Ulric jemals haben? Er wird begeistert sein, wenn ich ihm das sage. Er hält große Stücke auf dich, Ollowain. Ich habe oft von dir erzählt.«
Blut, der ziellos über die Felsnase gestreift war, begann plötzlich laut zu bellen. Er kläffte etwas an, das in einer Spalte verborgen war. Ulric rannte zu dem großen Hund hinüber und winkte dann seinem Vater. »Hier ist etwas… Ein toter Hase. Er sieht seltsam aus.«
Ollowain folgte seinem Freund auf die Felsen hinaus. Inzwischen hatte sich Ulric flach auf den Boden gepresst und stocherte mit seinem Schwert in der Spalte herum. Tief zwischen den Felsen lag ein toter Hase. Er war zusammengeschrumpelt wie eine Dörrpflaume. Sein Fell wies keine Wunden auf.
»Was ist mit dem Hasen passiert, Vater?«
»Das ist nichts Besonderes«, sagte Alfadas leichthin. »Er muss dort hinabgestürzt sein, und dann ist er nicht mehr aus der Spalte herausgekommen. Die Hitze der letzten Tage hat ihn ausgetrocknet. Dort unten kommen Raben und andere Aasfresser nicht an ihn heran. Deshalb hat er sich so gut erhalten.« Der Jarl nahm das Holzschwert seines Sohns, legte sich flach auf den Fels und schaffte es mit ausgestrecktem Arm, den Kadaver herumzudrehen.
Verwundert bemerkte Ollowain, dass keinerlei Maden auf dem Tier zu sehen waren.
»Fühlst du, wie warm die Steine noch sind?«, fragte Alfadas seinen Sohn.
Ulric presste die flache Hand auf den Felsboden und nickte.
»Die Hitze der Mittagsstunden hat sich noch gehalten. Dort unten liegt der Hase wie in einem Ofen. Er ist gänzlich ausgetrocknet und besteht nur noch aus Fell und Knochen.« Blut knurrte, so als würde ihm diese Erklärung nicht gefallen, und Kadlin, die Alfadas endlich losgelassen hatte, fing ebenfalls an zu knurren.
Der Jarl stupste die Kleine leicht an, schnitt eine Grimasse und knurrte zurück. Selbst Ulric machte jetzt bei dem Spiel mit und begann zu bellen. Verwundert sah Ollowain zu. Er würde die Menschen niemals begreifen. Der Elf fühlte sich fehl am Platz und zog sich zurück. Er wollte den anderen den Spaß nicht verderben. Er ging zum Ufer und sah wieder hinaus auf den Fjord. Das Boot, das er vor einer Weile gesehen hatte, war bis auf hundert Schritt herangekommen. Es handelte sich um ein
Weitere Kostenlose Bücher