Elfenwinter
Süden führte. Diesmal würde er bei Asla sein, wenn das Kind kam. Ganz gleich, was der König von ihm verlangte. Jetzt reicht's aber, du Narr, schalt er sich in Gedanken. Du weißt nicht einmal, ob dein Weib ein Kind unter dem Herzen trägt, und planst schon das nächste Jahr.
Sein Blick wanderte über das weite graublaue Wasser des Fjords. Die Wolken hingen tief am Himmel und verschluckten die weißen Bergspitzen in der Ferne. Mit lautem Flattern stürmten Perlhühner aus dem Dickicht am Waldrand. Sein Grauer scheute und brach seitlich aus. Alfadas spähte ins Dickicht. Dort war etwas. Aber er hatte jetzt keine Zeit, um sich auf die Spielchen von Silwyna einzulassen. Wenn sie ihm etwas zu sagen hatte, dann sollte sie kommen. Schließlich war nicht er es, der dauernd davonlief. Und wenn sie nicht kam, dann sollte sie ihm doch den Buckel herunterrutschen. Er gab dem Hengst die Sporen und trabte davon.
Alfadas spürte ihre Blicke in seinem Rücken. Ob Ollowain Recht hatte mit seinem Verdacht? Das war jetzt nicht seine Sorge, redete er sich ein und spähte doch immer wieder zurück. Warum war sie hier? Konnte sie ihn denn nicht in Frieden lassen? Er ließ den Grauen langsamer gehen. Wenn sie dort am Waldrand war, dann könnte sie ihn nun mit Leichtigkeit einholen. Er wollte wissen, warum sie hier war. Und er musste sich eingestehen, dass sie ihm trotz allem, was geschehen war, nicht egal war. Hatten Asla und die Kinder seine Liebe zu ihr nicht auszulöschen vermocht? Was würde geschehen, wenn sie jetzt aus dem Wald kam? Würde er ihr noch einmal verfallen? Das durfte nicht sein! Sein Leben war hier, in Firnstayn, an der Seite seiner Familie!
Er gab dem Grauen die Sporen und preschte davon. Er durfte nicht zulassen, dass die Vergangenheit ihn einholte! Der Uferweg wurde bald zu einem schmalen Pfad, kaum breiter als ein Wildwechsel. Nur selten verirrten sich Reisende bis nach Firn-stayn. Es war das am nördlichsten gelegene Dorf am Fjord. Zu klein, um für Händler von Bedeutung zu sein. Wer schöne Stoffe wollte, ein gutes Pferd oder eiserne Pfeilspitzen, der reiste nach Honnigsvald. Der Ort nannte sich hochtrabend Stadt, weil einige seiner Häuser aus Stein errichtet waren. Gut, es lebten auch zehnmal mehr Menschen dort als in Firnstayn, und doch war Honnigsvald gemessen an den Städten, die Alfadas schon gesehen hatte, nicht mehr als ein Hundedreck. Ein nützlicher Hundedreck. Er sollte Asla etwas mitbringen, wenn die Zeit dazu blieb. Wieder fragte er sich, was der König wohl wollte.
Es begann zu regnen. Alfadas löste den aufgerollten Umhang vom Sattel und schlang ihn sich um die Schultern. Im Dunst der Regenschleier konnte man kaum noch das andere Ufer sehen. Die Welt rückte zusammen. Die fernen Berge waren im Grau des Himmels versunken. Bald war der Jarl trotz des Umhangs völlig durchnässt. Wehmütig dachte er an die wunderbare Kleidung, die man bei den Elfen gefertigt hatte. Stoffe, an denen Regen abperlte wie an Blütenblättern. Man könnte so vieles von ihnen lernen, wenn das Band zwischen ihren Welten ein wenig enger wäre. Doch es lag allein bei den Elfen, darüber zu entscheiden, denn kein Mensch vermochte aus eigener Kraft durch ihre Tore zu gehen. Nur sein Vater Mandred hatte dies einmal auf wundersame Weise geschafft, doch hatte er selbst nie erklären können, wie ihm dies geglückt war.
Der Wald drängte nun fast bis ans Ufer. Wie eine Säulenhalle zogen sich schwarze Fichtenstämme den Hang hinauf. Die unteren Äste waren abgestorben, weil kein Licht sie mehr erreichte. Ein dichtes Polster aus braunen Nadeln bedeckte den Boden und schluckte das Geräusch der Hufe. Der Regen rauschte in den Ästen. Es duftete nach Harz, Moder und Pilzen. Alfadas zog den Kopf ein und lenkte sein Pferd in die dunkle Waldhalle. Zwischen den schmalen, schwarzen Stämmen war er ein wenig vor dem Regen geschützt. Wenn die Sonne vom Himmel verschwand, wurde es schon empfindlich kalt.
Das Haar hing dem Jarl in nassen Strähnen ins Gesicht. Das Leder seines Schwertgurts quietschte leise, wenn er sich bewegte. Wie das Gebein eines toten Riesen stachen Felsen durch das Erdreich. Wo der Weg zu schwierig wurde, musste Alfadas tief in den Wald ausweichen. Manchmal, wenn der Fjord sich in weiten Kehren zwischen den Bergen hindurchwand, kürzte der Jarl den Weg ab. Doch wo immer es möglich war, hielt er sich nahe am Wasser. Er spähte nach den Silberrücken, die die Fluten zerteilten. Nicht mehr lange, und die Salme
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