Elfenwinter
Warum hätte Sil-wyna dein Leben retten sollen, wenn sie die Königin ermorden will? Und warum wäre sie dann hier? Sie hätte Emerelle doch wohl leicht nach dem Bienenangriff töten können.«
»Du kannst dich eben nicht in eine Maurawani hineindenken, Menschensohn. Und wer sollte es dir verübeln, wo selbst in Albenmark kaum jemand dieses Volk verschrobener Einzelgänger versteht. Für sie ist das Ganze eine Jagd. Und wenn weder ich noch Emerelle selbst in der Lage sind, sie zu schützen, dann ist die Königin keine infrage kommende Beute mehr. Versuche nicht, sie zu verstehen, Alfadas. Das wäre ein Weg der Schmerzen.«
Die Züge seines Freundes verhärteten sich. Mit seinem kurzen, blonden Bart sah Alfadas eigenartig aus. Älter, härter und menschlicher. »Silwyna wird einen guten Grund gehabt haben, mich zu verlassen. Sie hat ihn mir nie genannt, aber das heißt nicht, dass es ihn nicht gibt.«
So naiv diese Vertrauensseligkeit war, so entwaffnend war sie auch. Wäre die Welt nur tatsächlich so, wie Alfadas sie sehen wollte!
»Warum sie mein Haus wohl so schnell verlassen hat?«, sagte Alfadas tief in Gedanken.
»Vielleicht weil sie einen Wald deinen verräucherten vier Wänden vorzieht?« entgegnete Ollowain scherzend. Der Jarl lachte. »Das tut sie ganz gewiss. Außerdem glaube ich, hat sie sofort verstanden, was zwischen mir und Asla ist.«
»Das konnte wohl jeder verstehen, der Augen dafür hatte, dass du ohne Hose herumgelaufen bist.« Der Menschensohn errötete. »Silwyna ist noch immer wunderschön. Als sie vor mir in der Tür stand, da war es für mich, als wäre sie nur einen Augenblick fort gewesen und nicht zehn Jahre. Ich… Wenn Asla nicht wäre… «
»Aber es gibt Asla nun mal. Und sei froh darum, dass du sie hast. Sie… «
»Sie hat sofort gespürt, dass ich Silwyna kannte«, unterbrach ihn der Jarl. »Dabei habe ich ihr niemals von unserer Liebe erzählt.«
»Hat sie denn nicht gefragt, wie dein Leben am Hof Emerelles verlaufen ist?« Ollowain war überrascht. Er hatte ein anderes Bild von Menschen gehabt. Er stellte sich vor, dass sie nicht sehr feinfühlig waren. Etwa so wie Kentauren. Dass Asla so klug sein könnte, eine Frage nicht zu stellen, deren Antwort sie nicht ertragen könnte, hätte er ihr nicht zugetraut.
»Sie mag es nicht, wenn ich von dieser Zeit erzähle. Ich spüre, wie es an ihr nagt. Sie wird jedes Mal wütend, wenn ich zum Steinkreis hinaufschaue. Aber sie stellt keine Fragen. Asla ist eine wunderbare Frau.«
Sie hatten den Rand des Waldes erreicht. Vor ihnen lag ein felsiger Uferabschnitt. Ulric stürmte voraus zum Wasser. Und die kleine Tochter zog ihren Vater an den Haaren und wollte von seinen Schultern herab. »Ich fürchte, ich bin ihr kein guter Gatte«, sagte er leise. »Sie nennt mich oft mein schöner, fremder Mann. Ihre Worte sollen ein Scherz sein. Und doch ist es genau das, was sie empfindet. Wir haben zwei Kinder. Wir leben seit acht Jahren zusammen. Und ich bin ihr fremd.«
Ollowain legte seinem Freund die Hand auf den Arm. Schon als kleiner Junge, wenn Alfadas niedergeschlagen gewesen war, weil die jungen Elfen ihm in so vielem überlegen gewesen waren und er trotzdem mit ihnen hatte mithalten wollen, war er zu Ollowain gekommen. Schon damals war es dem Schwertmeister schwer gefallen, ihm einen Rat zu geben. Und heute… Was wusste er von den Herzen der Menschen? Er konnte nur hier sein und zuhören.
Kadlin begann mit ihren kleinen Fäusten auf den Kopf ihres Vaters zu trommeln. Sie gab sich keine Mühe mehr, sich festzuhalten. Sie wollte herunter.
»Wie es scheint, hast du da eine kleine Kriegerin«, scherzte Ollowain, um das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.
Alfadas lächelte matt und setzte seine Tochter ab. »Hier werden Frauen nicht zum Kampf ausgebildet.«
Kadlin stampfte wütend mit den Füßen auf und beschwerte sich lautstark, als er sie an einem Zipfel ihres Kleides festhielt, statt sie auf dem von tiefen Spalten durchzogenen Klippenstreifen herumlaufen zu lassen. Böiger Wind drückte das Wasser des Fjords gegen das Ufer. Platschend brachen sich die Wellen in einem Labyrinth aus Höhlen und Spalten. Manchmal schoss überraschend eine Gischtfahne aus dem zerklüfteten Untergrund. Ulric war schon ganz nass. Er stand auf einer Felsnase, die weit in den Fjord hineinreichte, und rief dem König vom dunklen Grund eine Herausforderung entgegen.
Ollowains Blick wanderte über das weite Wasser. Das Wetter war umgeschlagen,
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