Elfenzauber (Mithgar 1)
Dann betrat ein vierter Possenreißer den Festsaal, ging zu der unsichtbaren Kammer, holte einen großen Schlüssel aus seiner Tasche und schloss eine unsichtbare Tür auf. Er gab den anderen ein Zeichen, und die kamen einer nach dem anderen heraus, um von ihrem Retter eins mit einer Narrenpritsche übergebraten zu bekommen, während er sie aus dem Saal jagte. Die Gäste applaudierten beifällig. Die vier Narren kehrten zurück und verbeugten sich, nur um dabei von einem fünften Possenreißer auf den Allerwertesten geschlagen zu werden.
Als der Applaus und das Gelächter verklungen waren, kam ein Mann in den Saal geschlendert, lässig die Hände in den Taschen, dem fünf kleine Hunde folgten, die bunt gefärbte Halskrausen trugen und aufrecht auf den Hinterbeinen gingen. Sie sprangen durch Reifen, kletterten kleine Leitern empor und holten jonglierte Bälle wieder, wenn der Mann sie fallen ließ.
Der Vorstellung des Mannes mit den Hunden folgte ein Taschenspieler und dann drei Leute, die einen Balanceakt zeigten.
Dann war die Reihe an Arin. Ganz in Schwarz gekleidet, das goldene Haar wie poliertes Messing glänzend, betrat Egil die Bühne und wartete, bis Ruhe eingekehrt war. Schließlich wandte er sich an die Königin und verbeugte sich. »Königin Gudrun die Schöne« – er wandte sich wieder an die Menge – »meine Damen und Herren, verehrte Gäste, ich präsentiere Euch die bezaubernde Dara Arin, Dylvana aus Darda Erynian. Begleitet von Alos aus Thol wird sie mit ihrem Lied Eure Herzen anrühren. Gebt Acht, denn danach werdet Ihr nicht mehr ganz dieselben sein.«
Mit Alos neben sich ging Arin, die in ihrem grünen Kleid nachgerade zerbrechlich wirkte, zum Rand des Amphitheaters. Als sie unterhalb des Sitzes der Königin standen, verkündete sie mit klarer Stimme: ›»Die beraubte Braut‹.«
Leises Gemurmel erhob sich in der Menge, denn dies war die Geschichte einer unerfüllten Liebe, und wer konnte wissen, wie die Königin darauf reagieren mochte? Doch die Ruhe kehrte rasch wieder ein, als Alos, der rechts hinter Arin stand, einen sanften Rhythmus mit seinem Cruik zu klopfen begann.
Nun erfüllte Arins Stimme den Saal, zuerst leise, dann immer lauter, während sie von Raid und Isaida sang: Er war ein junger Ritter und sie ein schönes Edelfräulein, und ihre Liebe füreinander war so tief, dass sie beinah jegliches Verständnis überstieg. Das ganze Reich feierte ihre Vermählung, denn sie wurden von allen geliebt. Doch am Tag der Vermählung erreichte sie die Nachricht vom Mord an Raids Bruder Gran, der als fahrender Ritter in ein fernes Land gereist war. Raid schwor Rache, und nach nur einer einzigen Nacht süßer Liebe, machte er sich auf, seinen Bruder zu rächen. Die frisch gebackene Braut Isaida wartete in ihrem Turm Jahr und Tag und verzehrte sich nach ihrem Gemahl, doch keine Nachricht erreichte sie. So reiste sie ihm, als Junge verkleidet, nach und gab sich unterwegs als einfacher Ziegenhirt aus. Ein weiteres Jahr verstrich mit fruchtloser Suche, doch dann entdeckte sie Raid in der Feste eines abtrünnigen Kriegsfürsten, wo er in einem tiefen Verlies schmachtete und an seinen schrecklichen Wunden dahinsiechte. Oh, wie sie über seinem ausgemergelten, verunstalteten Körper weinte und sich verzweifelt mühte, ihn zu retten, doch er starb mit Worten der Liebe für sie auf den Lippen. Der Kerkermeister hatte alles mitangehört und empfand Mitleid, also gestattete er Isaida, Raids Leichnam mitzunehmen. Sie brachte ihn auf ein Feld am Waldesrand, wo sie einen großen Scheiterhaufen errichtete. Der Kriegsfürst erspähte den großen Holzhaufen am Rande des Feldes und ritt hin, um herauszufinden, was dort vorging, und Isaida stach ihm einen Dolch ins Herz. Sie legte Raid den Leichnam des Kriegsfürsten zu Füßen, erklomm dann den Scheiterhaufen, zündete ihn an und legte sich neben ihren Geliebten. Bis zum heutigen Tag sagt man, wenn von einem Feuer Rauchschwaden aufsteigen und sich miteinander vermischen, dass es die Seelen von Isaida und Raid seien, die sich in immerwährender Liebe umarmen.
Als Arins Lied endete, war im ganzen Saal kein Auge mehr trocken. Königin Gudrun saß auf ihrem Thron, weinte ganz unverhohlen und sah dabei Delon an. Obwohl Delon selbst ein Barde war und das Lied gut kannte, liefen ihm Tränen über das Gesicht. Im ganzen Saal wurde geschnieft, geschluchzt und laut geweint. Sogar der griesgrämige Baron Stolz konnte nicht mehr an sich halten. Hinter Arin weinte auch
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