Elfenzauber (Mithgar 1)
nichts.
»Dummkopf«, zischte der Magier.
Man hatte Egil aus seiner Zelle geholt, nach oben gebracht und grob über den Hof gestoßen, bis er schließlich den Turm erreichte. Dort hatte man ihn eine Wendeltreppe hinaufgejagt, wobei zwei Drökha und ein dunkelhäutiger Mensch ihm abwechselnd einen Stock in den Rücken gerammt und dabei höhnisch gelacht hatten. Sie hatten ihn in die Dachkammer getrieben, wo ihn der Magier bereits erwartete. Groß war er, hager und bleich, und sein Kopf war völlig haarlos – weder trug er Locken, noch besaß er Brauen, Wimpern oder Bart. Seine Nase war lang und gerade, die Augen waren dunkel wie Obsidian, die Lippen dünn und blutleer. Die Finger waren lang, wie Klauen, und endeten in schwarzen Nägeln. Er trug eine blutrote Robe.
Dies war der Magier, dessen Schiff Egil geentert hatte.
Dies war der Magier, der seine Niederlage herbeigeführt hatte.
Jetzt standen sie in einer Kammer hoch oben im Turm in der Feste dieses Magiers, in der Festung, in die Egil und seine Mannschaft in Ketten geschleift worden waren.
Die Drökha und der dunkelhäutige Mann hatten Egil an einen Ring im Boden gekettet und ihn dann mit seinem Häscher allein gelassen. Nun sahen Egil und der Magier einander an – der eine stumm, der andere hohnlächelnd.
»Ich bin Ordrune, Kapitän. Und Ihr heißt…?«
Egil sagte nichts.
»Euer Schweigen ist ohne Bedeutung«, sagte Ordrune. »In Kürze werde ich Euren Namen kennen. Ihr werdet erpicht darauf sein, zu reden.« Der Magier wandte sich ab und ging durch die Kammer.
Der eigentliche Raum war vollkommen rund und hatte einen Durchmesser von vielleicht dreißig Fuß. Hier und da standen Tische, die mit Gerätschaften geradezu überladen waren: Astrolabien und Zahnräder aus Bronze, Destillierkolben und Tongefäße, Mörser und Stößel, durchsichtige Glaskrüge, die mit gelben, roten, blauen und grünen Körnchen gefüllt waren, und Kohlepfannen mit Werkzeugen in der roten Glut. Da und dort lagen auch kleine Metallbarren herum: rotes Kupfer, gelbes Messing, weißes Zinn, leuchtendes Gold, funkelndes Silber und mehr. An den Wänden standen Kisten und Fässer und Schubladenschränke und eine große, mit Eisen umwundene, dreifach verschlossene Truhe, dazu Schreibtische und Schubfächer, die mit Pergamentrollen und Papieren voll gestopft waren. Vier hohe, mit Vorhängen geschmückte Fenster waren in die steinernen Wände eingelassen.
Dies war Ordrunes Laboratorium, sein arkanes Arbeitszimmer. Dies war sein Allerheiligstes, seine Höhle und das Herz der Festung.
Und hier stand nun Egil, an den Boden gekettet und mit wild pochendem Herzen, während Ordrune einen dunklen Handschuh überstreifte und aus den Kohlen einer Pfanne eine Zange holte, die rot glühte.
Ordrune drehte sich um und sah Egil an. »Euer Name…?«
Egil erbleichte, sagte aber nichts.
Ein Lächeln umspielte die Winkel von Ordrunes blutleeren Lippen. »Dummkopf.« Mit der freien Hand nahm er eine Ampulle und träufelte einen Tropfen Flüssigkeit auf die glühende Zange, dann ging er zu dem jungen Mann, während die Zange knisterte und ein dünner Rauchfaden aufstieg.
»Welch bessere Lektion könntet Ihr lernen als diejenige, welche ich Euch heute erteile?«
Egil wappnete sich, bereitete sich auf den Kampf vor, denn obwohl er an den Boden gekettet war, hatte er doch bis zum Ende der Kette Bewegungsfreiheit.
Dann erreichte ihn der Rauch von der knisternden Zange, und sein Kampfesmut verließ ihn plötzlich.
Ordrune trat vor ihn und hob die glühende Zange vor Egils Gesicht. Doch plötzlich weiteten sich Ordrunes wimpernlose Augen voller Entzücken, und ein Lächeln kräuselte seine dünnen Lippen. Er ließ die Zange sinken. »Welch bessere Lektion? Nun, ich denke, ich habe tatsächlich eine bessere für Euch.«
Wachen führten Egil nach unten und aus dem Turm und dann über den Hof ins Hauptgebäude, wo er baden durfte und saubere Kleidung bekam. Dann, wieder in Ketten, führte man ihn durch ein Labyrinth von Gängen in eine Kammer. Sie war rund und ähnelte in ihren Dimensionen der Kammer oben in Ordrunes Turm, und so nahm er an, dass er sich in einem unterirdischen Raum direkt unter dem Turm befand. Dort wurde er wieder an den Boden gekettet, doch diesmal setzte man ihn an einen Tisch, der im Überfluss mit Speisen, Wein und reinem Wasser gedeckt war.
Wenngleich rund wie die Kammer oben im Turm, war dieser Raum kein Laboratorium, sondern vielmehr eine Kammer des Schreckens, denn sie
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