Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt - Schartz, S: Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt
fort: »Hat wenigstens ein Bote bessere Nachrichten heimgebracht?«
»Nein. Es bleibt dabei: Die Grenzen von Sidhe Crain sind verschlossen, ebenso die Portale. Wir wissen nicht, ob der Herbst in ganz Earrach oder darüber hinaus in der gesamten Elfenwelt Einzug gehalten hat. Nur ein einziges Portal ist offen: das in die Menschenwelt.«
Die Stimme des Schrats zitterte. »Meine Schösslinge …«, klagte er. »Wer wird sie pflegen, wenn ich nicht mehr bin? Wie viel Zeit bleibt ihnen?«
»Und die Kinder?«, fragte die Blaue Dame. »Was wird aus ihnen?«
»Wenn das Land stirbt, müssen wir alle gehen«, flüsterte der Elf neben ihr. »Werden wir heimatlos sein und in der Fremde vergehen müssen?«
Tiefes Schweigen folgte. Schrecken malte sich auf den Gesichtern. Selbst das ohnehin trübe Himmelslicht schien noch dunkler zu werden.
»Ich habe nachgedacht«, sagte Fanmór nach einer Weile. »Und ich glaube, es gibt eine Lösung.«
Augenblicklich streckten sich die zusammengefallenen Körper wieder. Die Berater hingen geradezu an den Lippen ihres Herrschers. Deswegen war er der Mächtigste von allen – er musste einen Ausweg finden.
Fanmór hob eine Hand. »Es besteht allerdings kein Grund zum Übermut. Es ist nicht mehr als eine Schlussfolgerung, doch ich werde sie euch darlegen. Vielleicht kommt ihr zum selben Ergebnis wie ich.«
Es musste etwas zu bedeuten haben, argumentierte der Riese dann, warum ausgerechnet das Portal zu den Menschen offen sei. Fanmór hatte erst nach langer Überlegung begriffen, aus welchem Grund dies so war.
Die beiden Welten waren dabei, sich anzugleichen, die Grenzlinie war dünner geworden. Ausgelöst wurde dies durch den Einzug der Zeit in das Reich der Crain. Die Elfen des Baums waren sterblich geworden, die Menschen waren es schon immer. Womöglich hielt also die Zeit selbst das Portal offen und blockierte es.
Die Menschen hatten die Möglichkeit des freien Übergangs zum Glück bisher nicht entdeckt. Insofern waren die Crain noch sicher. Aber für die Elfen konnte es die Rettung bedeuten, weil sie sich durch dieses offene Portal auf die Suche machen konnten.
»Wonach?«, fragte Regiatus ratlos.
»Dem Quell der Unsterblichkeit«, antwortete Fanmór.
In frühen Tagen hatte Fanmór zeitweise unter den Menschen gelebt. Damals waren sie noch unschuldig gewesen und fürchteten weder Riesen noch anderes. Als sich die Einstellung allmählich änderte und sich die Völker einander entfremdeten, bemühte sich der Riese weiter um Einklang. Doch er musste feststellen, dass die Entwicklung unaufhaltsam war – und sie wurde gefährlich für die Elfen.
Schon immer strebten die Menschen nach der Unsterblichkeit. Das hatte manchmal sogar zu bizarren Angriffen auf den Riesen geführt, weil sie glaubten, sein Blut mache sie unsterblich und unverwundbar.
Tatsächlich gab es Blut, das unverwundbar machte – das der Drachen. Die Menschen fanden das heraus. Kaum ein Drache überlebte die folgende Jagd, nur wenige konnten sich rechtzeitig hinter die Grenzen zurückziehen. Das war einer der Gründe, weshalb Fanmór eines Tages erwirkt hatte, dass die Elfenwelt sich von der Menschenwelt trennen und der Zugang für die Menschen verwehrt sein musste. Nach zu vielen Kriegen und sinnlosem Töten war den Elfen keine andere Wahl geblieben.
Den Quell der Unsterblichkeit hatten die Menschen in der Elfenwelt vermutet, und sie ließen sich nie davon überzeugen, dass es ihn dort nicht gab. Die Elfenwelt war seit Anbeginn eine unsterbliche gewesen, ebenso ihre Geschöpfe. Die Unsterblichkeit war ihnen gegeben, ob sie nun in einer Blütenknospe heranreiften oder von einer Frau geboren wurden.
»Der Quell der Unsterblichkeit ist nur ein Mythos«, wiegelte Regiatus ab.
»Auch wir sind das in den Geistern der heutigen Menschen«, erwiderte Fanmór. »Und trotzdem sind wir wahr.«
»Dann könnte das ebenfalls wahr sein«, flüsterte der geflügelte Elf. Vor Aufregung verlor er Blütenstaub aus der Glockenblume, die über seinen Kopf ragte.
»Zumindest findet sich der Mythos vom Quell überall in der Menschenwelt«, stimmte Fanmór zu.
Die Sehnsucht nach Unsterblichkeit war in den Menschen tief verankert. Schon in der Antike hatten sie alles Mögliche unternommen, um die Fesseln der Zeit abzustreifen. Religiöse Kulte, Blutopfer, sie probierten alles aus.
»Und sie haben ihn nie gefunden, selbst wenn es ihn geben mag, denn sie sind immer noch sterblich«, zog die Blaue Dame die Konsequenz. »Wie soll es uns
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