Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt - Schartz, S: Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt
Nadja bei sich,
würde ich mich auf der Stelle unsterblich in sie verlieben
.
Dann merkte sie, was Rian gesagt hatte.
Das Model hatte die Journalistin erkannt.
»Ich …«, fing Nadja verwirrt an, ausnahmsweise einmal um Worte verlegen, weil sie nicht mehr weiterwusste.
Auf einmal streckte Rian abwehrend die Hände vor. »Lassen Sie mich in Ruhe. Ich muss gehen …« Hastig trippelte sie los, auf den Ausgang zu.
»Warten Sie…«, begann Nadja erneut und wollte ihr folgen. Doch wieder einmal stolperte sie über etwas Unsichtbares, wie schon bei der Metrostation in La Défense.
Diesmal war Robert nicht da, um sie aufzufangen, und sie schlug der Länge nach hin. Genau vor einen wartenden Patienten, einen etwa zwölfjährigen Jungen, dessen Mittelfinger in einem dicken Verband steckte.
Grinsend hielt er den Arm in beabsichtigter unzweideutiger Geste hoch und feixte. »Wehgetan?«
»Nicht so, wie dir gleich der andere Finger wehtun wird«, knurrte Nadja leise, rappelte sich auf, strich die Anzugjacke glatt und brachte Würde in ihr Haar zurück. Sie sah gerade noch, wie Rian draußen auf der Straße nach rechts abbog.
Ein kurzer Blick auf Robert; er sprach immer noch mit Charles.
»Also dann …«, murmelte sie. »Jetzt will ich wissen, was du mit Boy X zu tun hast, Rian Bonet.« Mit raschen Schritten nahm sie die Verfolgung auf.
5 Die Suche beginnt
Wir sollten uns beruhigen«, mahnte Regiatus. Der Corvide trat seit der Bestrafung in aller Bescheidenheit auf. Vielleicht lag die Bescheidenheit auch in der Erkenntnis, die Unsterblichkeit verloren zu haben. Entsprechend dezent hatte er sich gewandet. Sein vornehmes Geweih trug Trauerflor, die schimmernden Spitzen waren schwarz gefärbt. »Benehmen wir uns der Situation angemessen.«
Wieder hatten die Berater gestritten, kaum dass die Versammlung begonnen hatte. Diesmal waren nicht alle Hofschranzen dabei, und die Zusammenkunft fand nicht im Thronsaal statt, sondern in einem offenen Pavillon. Fanmór saß auf einem für seine Verhältnisse niedrigen Marmorstuhl, und im Halbkreis um ihn saßen auf einfachen Holzsitzen die Berater. Die vordersten Stühle nahmen Rhiannon und Dafydd ein, in der zweiten Reihe hinter ihnen kauerten ein wenig nervös der Grogoch und Pirx.
Der Herrscher ließ die Berater streiten. Er schien es müde zu sein, die Stimme zu erheben und zur Ruhe zu mahnen. Vielleicht dachte er aber nach, so in seine Überlegungen versunken, dass er nichts um sich bemerkte. Dafür sprach seine typische Haltung; leicht vornübergebeugt, den Ellbogen auf die Lehne gestützt, das starke Kinn ruhte auf der Hand. Die buschigen Brauen verdeckten seinen Blick.
»Ihr redet Euch leicht, Berater Regiatus«, warf dem Corviden ein rundgesichtiger Elf vor, der eine Haut wie borkige Rinde hatte. »Wahrscheinlich verschwindet Ihr als Nächstes in Gestalt eines Hirsches in die Menschenwelt und genießt die Spanne Leben noch, die Euch bleibt, als umschwärmter Herrscher eines Harems.«
»Das wäre in der Tat akzeptabel«, stellte Regiatus fest. Er schnaubte. »Ich danke Euch für den Hinweis, Corann.«
»Eine harte Lehre wurde uns erteilt«, sagte ein handspannenlanger geflügelter Glockenblumenelf, der auf der Schulter eines Waldschrats saß. Auf dem Kopf dieses haarigen Geschöpfs wuchsen feine, biegsame Zweige, an denen zarte Blätter hingen. Immerhin waren die Zweige und Blätter noch nicht vom Herbst betroffen.
»Und was für eine Lehre sollte das sein?«, pfiff der Gaukler Suvanno und schüttelte die Federn.
»Angst«, antwortete der geflügelte Elf. »Die zweite Lehre wird sein, unsere Grenzen zu erkennen.«
»Und die dritte?«, fragte Suvanno, deutlich weniger herausfordernd.
»Das Vergehen«, erscholl Fanmórs dröhnende Stimme. »Es wird unsere letzte Lehre sein.«
Die Berater setzten sich aufrecht hin und wandten ihre Aufmerksamkeit dem Herrscher zu.
»O Gebieter, Ihr sprecht das so leichtfertig aus«, sagte Regiatus leise. »Eure Stimme zittert nicht einmal dabei.«
»Ich lebe schon zu lange, als dass es mich allzu sehr schrecken könnte«, versetzte Fanmór. »Doch um euch mache ich mir Sorgen: mein Volk. Dies ist nicht gerecht. Wenn ich mich als Opfer bringen könnte, um alles abzuwenden, würde ich es mit Freuden tun. Doch wir haben es nicht mit einem Schicksalsbann zu tun. Es ist eine endgültige Sache, deren Ursprung wir nicht kennen, deren Grund wir vielleicht nie erfahren werden.«
Viele Berater nickten mit wiegenden Köpfen. Regiatus fuhr
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