Elfenzeit 11: Merlins Erwachen - Hartmann, C: Elfenzeit 11: Merlins Erwachen
und ging ihnen voraus in Richtung Burg. Als sie die Zugbrücke erreichten und über sie hinwegschritten, umringten sie wieder die Hunde, doch diesmal ignorierten sie Rian und David und sprangen nur an ihrer Herrin in die Höhe. »Geht!«, befahl Viviane ihnen, und mit lautem Gebell verschwanden sie in einem der Gebäude der Vorburg.
Die Herrin führte die Zwillinge über einen mit winzigen silbrigen Steinen gepflasterten Hof, in dem es sehr laut und lebendig zuging. Mehrere weiße Pferde waren an der Mauer eines lang gestreckten Stallgebäudes angebunden, und kleine Kobolde, die Grog verblüffend ähnlich sahen, striegelten und putzten sie. Ein grobschlächtiger, langhaariger Mann, dessen Haut poliertem Ebenholz gleich glänzte und dessen Augen eine schlitzförmige Pupille hatten wie die einer Katze, bearbeitete auf einem Amboss eine Schwertklinge. In einer Ecke saßen drei Pixies und polierten seltsame, schimmernde Gebilde, die wie gedrechselte Eiszapfen aussahen. Erstaunt sah David zu, wie einer von ihnen sein Werk beendete, den Zapfen prüfend ansah und aufstand, um zu einem der weißen Pferde zu gehen. Das Tier schien auf ihn gewartet zu haben, denn es senkte brav den Kopf, und mit einem leise gemurmelten Spruch pflanzte der Pixie dem Pferd den Zapfen mitten auf die Stirn. Ein feines Flirren ergoss sich aus der Spitze des Hornes und übergoss das Pferd …
…
das Einhorn
, korrigierte David sich in Gedanken und ging kopfschüttelnd weiter.
Viviane führte sie durch einen großen Torbogen in den Innenhof der Hauptburg. Ein Weg aus demselben silbernen Pflaster führte an einem Rasenstück vorbei, auf dem ein einzelner, offenbar sehr alter Baum stand. Er besaß eine weit ausladende Krone und einen borkigen Stamm, der sich auf Kniehöhe teilte, eine ovale Lücke bildete und sich darüber wieder zu einem Stück vereinigte. Hinter ihm konnten die Zwillinge eine breite Freitreppe erkennen, auf die ihre Gastgeberin unbeirrt zuhielt.
Schließlich betraten sie die Halle der Burg und wurden sofort von einer Reihe handspannengroßer Elfen umschwirrt. Viviane verscheuchte sie mit einem knappen Wink und öffnete eigenhändig eine doppelflügelige Tür zu einem überaus bequem eingerichteten Kaminzimmer. Ein Feuer brannte munter vor sich hin und ließ das dunkle Holz der Möbel glänzen. Zwei Bücherregale standen rechts und links von einer bodentiefen gläsernen Tür, die auf einen kleinen Balkon hinausführte. David warf einen Blick aus dem Fenster.
Sie befanden sich hoch über dem Land! Der Blick wanderte von hier aus über eine weite Hügellandschaft, die mit maigrünen Bäumen bedeckt war. Keine Spur mehr von Wasser oder Schlingpflanzen! Ein paar bunt schillernde Vögel schwebten durch die Luft und erfüllten sie mit ihren hohen Schreien, die sogar durch die geschlossene Tür zu hören waren.
»Eure Magie ist kraftvoll«, sagte er beeindruckt zu Viviane, die zu einem kleinen Schrank getreten war und von dort eine Karaffe mit einer kristallklaren Flüssigkeit und drei winzige Gläser nahm. Mit diesen Dingen trat sie zu einer Sitzgruppe aus schweren Ledersesseln und einer Couch, stellte alles auf ein Tischchen und bot den Zwillingen einen Platz an. Sie selbst setzte sich auf die Couch und schlug mit einer überaus anmutigen Bewegung ihre Beine unter den Körper. David bemerkte plötzlich, dass sie barfuss war. Ihre Zehennägel glänzten silbrig wie das Horn des Einhorns.
»Noch«, sagte sie traurig.
David nahm Platz. »Noch?«
»Die Sterblichkeit, welche die Anderswelt bedroht, macht auch vor meinem Reich nicht halt«, erklärte Viviane. »Und das ist der Grund, warum ich Euch habe rufen lassen.« Sie goss ein wenig von der Flüssigkeit in die drei Gläser und reichte jedem der Zwillinge eines.
Rian, die noch immer stand, nahm ihres und drehte es zwischen den Handflächen hin und her. »Ihr braucht unsere Hilfe«, sagte sie.
Viviane nickte. »Bevor ich Euch Genaueres sage, lasst mich Euch kurz einige Dinge erklären. Wisst Ihr, warum ich hier unter dem See lebe?«
David sah Rian an, die die Achseln zuckte. Sie wusste genauso wenig wie er.
»Nun«, Viviane trank einen Schluck, »ursprünglich stamme ich aus dem Volk der Sidhe Crain, aber ich lebte lange Zeit nicht in Earrach, sondern durchwanderte sämtliche Länder der Anderswelt und auch etliche andere Welten. Die der Menschen zum Beispiel. Dort geschah es schließlich, dass ich jemanden traf, der mein Leben von Grund auf veränderte, einen Menschen von
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