Elfenzeit 12: Ragnarök - Schartz, S: Elfenzeit 12: Ragnarök
sie sehr weich war und sich immer noch dehnen konnte. Trotzdem war ihr der Druck unangenehm.
Auf dem Weg nach unten hatte sie das Gefühl, sie würde immer schwerer. Das krampfartige Ziehen nahm zu.
»Oh weh«, murmelte sie, nicht zum ersten Mal seit ihrer Ankunft. »Talamh, tu mir einen Gefallen und lass dir noch Zeit. Das muss einfach gehen, ja? Wartet die Welt eben ein bisschen länger auf dich – hoffe ich zumindest.«
Odin wartete bereits im Gang auf sie und musterte sie eindringlich. Ihr Zustand konnte auch ihm nicht verborgen bleiben. »Wir sollten uns besser beeilen«, bemerkte er.
»Ich glaube auch«, stimmte sie zu. Sie bedauerte, dass sie sich nicht von Ingolfir, Jónína und allen anderen, die ihr in den wenigen Stunden ihres Aufenthaltes zu Freunden geworden waren, verabschieden konnte. Sie würde sie nie wiedersehen, und das machte sie ein wenig traurig.
Als sie das Haus verließ, fauchte ihr der Wind ins Gesicht und riss an ihren Haaren. Wolken rasten über den Himmel, und es war ziemlich dunkel geworden.
Das Pferd wartete geduldig und musterte Nadja aus großen glänzenden Augen. Es besaß einen langen Behang, der wie Nebel herabwallte, und sein Fell hatte die Farbe von Vulkanasche. Der Sattel war aus weichem schwarzem Leder gefertigt, mit hohem Vorder- und Hinterzwiesel und mit kunstvollen Ornamenten verziert. Passend dazu war die gebisslose Trense gefertigt.
»Ich sehe gar keine acht Beine«, sagte Nadja. Damit gab sie ein wenig damit an, dass sie, wenn schon nichts über Island, wenigstens etwas über die nordische Mythologie wusste.
»Nicht hier.« Odin packte Nadja und hob sie mühelos hoch. Ehe sie sich’s versah, saß sie im Sattel.
»Hoffentlich lässt er das zu«, bemerkte sie kritisch und betrachtete die Welt aus dieser Perspektive misstrauisch. Unter sich spürte sie trotz des Sattels das Spiel der gewaltigen Muskeln, als der Hengst das Gewicht verlagerte. Hoffentlich rannte er nicht einfach los! »Und, äh … besser schüttelt es mich nicht zu sehr durch, sonst kriege ich das Kind gleich im Sattel.«
»Er heißt Sleipnir, der Dahingleitende«, sagte Odin, während er schwungvoll hinter ihr aufsaß. In seiner linken Hand hielt er wieder den Stock. »Ob nun zu Lande, im Wasser oder in der Luft, seine Bewegung ist stets sanft, nicht mehr als ein leichtes Wiegen.«
Nadja hielt den Atem an, als sie den Körper des Gottes plötzlich dicht an sich spürte. Obwohl er sich ohnehin sehr zurücknahm und in Menschengestalt auftrat, hüllte seine Aura sie ein. Wie es schien, konnte er seine Göttlichkeit nicht ganz unterdrücken. Die Erfahrung war … unglaublich, unbeschreiblich und kaum in Worte zu fassen.
»Ich träume, nicht wahr?«, murmelte Nadja.
Odin griff mit der rechten Hand um sie herum nach den Zügeln. »Leg deine Hände auf den Vorderzwiesel, das wird dich beruhigen, wenn wir unterwegs sind.«
Sleipnir wendete auf der Hinterhand, und Nadja krallte sich hastig wie befohlen fest. Odin schnalzte leise, und dann ging es los.
Nadja gab keinen Laut von sich, als Sleipnir sich in Bewegung setzte und schon nach wenigen Schritten so rasend schnell wurde, dass der Boden unter ihnen nur noch als ein fliehendes Band erschien. Trotzdem konnte sie völlig ruhig sitzen, fast wie auf einem Sofa. Geschwind glitt der Hengst dahin, seine Ohren bewegten sich dabei lebhaft, und die lange Mähne spielte mit dem Wind. Aus der Entfernung mochte es aussehen, als zöge Nebel über die Wiesen dahin.
Bald bog das Pferd vom Weg ab und wandte sich Richtung Norden, auf den Gletscher zu, übers freie Land. Odin setzte die Zügel kaum ein, sondern steuerte das Tier mit Beinen und Gewicht. Den Arm mit dem erhobenen Stock streckte er seitlich ab, als ginge es zum Lanzenstechen.
Nadja wunderte sich, warum sie nicht fror, doch Odin schien eine Schutzaura um sie gelegt zu haben, denn der Sturmwind hatte keine Gewalt über sie. Sicher und geborgen saß sie auf dem Wunderpferd und ließ sich tragen, an die göttliche Brust des Asen gelehnt. David würde wahrscheinlich vor Eifersucht platzen, wenn er das erfuhr.
Plötzlich musste Nadja lachen, allerdings ging der Laut in einen Schrei über, als der Hengst direkt im vollen Galopp auf einen einzigen, großen alten Baum auf weiter Ebene zuhielt. Aus unbekannten Gründen schien er alle Abholzungen überstanden zu haben.
Jeden Moment mussten sie gegen ihn prallen … da sackte mit einem Mal der Boden unter ihnen weg, und es ging hinauf in die Lüfte.
»Fliegt
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