Elfenzeit 7: Wächter des Weltenbaumes - Themsen, V: Elfenzeit 7: Wächter des Weltenbaumes
gefangen waren. Zwischen all den Bildern fand sich unter Ainfars Fingern ein Gesicht, das von hochragenden Geweihstangen beherrscht wurde und einen zotteligen Bart trug. Fast zärtlich fuhr der Elf die Linien der Figur nach.
Regiatus
...
Er schloss die Augen, und vor ihm erschienen wieder die Bilder, an denen er sich festhielt, seit sie wiedergekehrt waren. Seine letzten Momente im Thronsaal des Baumschlosses. Der geflüsterte Disput mit seinem Bruder.
»Ich werde gehen, Regiatus. Jemand muss es tun. Gwynbaen ist zu gefährlich, sie darf nicht unbeobachtet bleiben.« Ainfars Magen zog sich zusammen, während er die Worte sprach, und er sah die Blässe seines Gesichtes in den Augen seines Bruders gespiegelt.
Regiatus schüttelte den Kopf so heftig, dass das eingeflochtene Blattwerk in seinem Geweih protestierend raschelte. »Das ist Unsinn! Sie wird im Schattenland sein! Was soll sie deiner Meinung nach dort anrichten?«
»Sieh sie dir an, Bruder! Sieh dir an, wie ruhig sie ist, wie gefasst, selbst in der Niederlage noch Herrscherin. Du spürst ihre Macht ebenso wie ich! Das ist kein reiner Trotz. Sie hat wirklich keine Angst, und dafür muss es einen Grund geben.« Beschwörend sah Ainfar den Corviden an, mit dem er den Vater teilte. »Regiatus, gib mir deine Zustimmung. Ich werde mit ihr gehen, und ich werde mit euch Verbindung aufnehmen, sobald ich es kann. Ich werde einen Weg finden. Du und ich ... wir sind uns so nahe. Diese Verbindung muss auch über die Welten hinweg wiederherstellbar sein.«
»Ich will mich ungern darauf verlassen, Ainfar. Und ich will dich nicht verlieren! Sie hat uns schon genug gekostet, ohne dass du dich noch opferst.«
»Es muss sein. Es ... es ist auch wegen unseres Bruders.«
»Was soll es dich kümmern, was er getan hat oder tut? Du hast ihn nie gemocht und er dich nicht. Und ich teile deine Einstellung. Er war schon immer arroganter, als gut für ihn war.«
»Das ändert nichts daran, dass er unser Bruder ist und seine Taten Schande über uns bringen. Und jetzt ist er auch noch ein Meidling ... einer von denen, die den doppelten Verrat begangen haben, nicht mit Gwynbaen durch das Tor gehen zu wollen. Ein Ausgleich ist gefordert. So sind die Regeln im Gewebe unseres Daseins, und das weißt du genauso gut wie ich. Wenn ich es nicht tue, wird der Ausgleich auf andere Weise geschehen, ohne unsere Kontrolle. So jedoch ziehen wir vielleicht noch unseren Nutzen daraus.«
»Bruder ...« Die großen braunen Augen im Hirschgesicht des Corviden spiegelten neben Ainfars Blässe auch seinen entschlossenen Gesichtsausdruck wider. Regiatus verstummte.
»Ich gehe. Berichte du Fanmór.«
»Er wird nicht erfreut sein.«
Ainfar lächelte schief. »Doch, das wird er. Was kümmern ihn schon unsere Schicksale? Aber die Möglichkeit, irgendwann einen Spitzel in den Reihen der Weißen Frau zu haben, wird er sehr begrüßen. Er ist ein Herrscher, Regiatus. Er weiß, was wichtig ist und was nicht.«
»Und was, wenn du es nicht schaffst? Wenn du mit ihr dort gefangen bleibst?«
»Das wird nicht geschehen.« Er legte eine Hand auf Regiatus’ Arm. »Vertrau mir, Bruder. Ich werde einen Weg finden.«
Vertrau mir, Bruder
...
Ainfar hatte sich bei denen eingereiht, die aus den anderen Regionen Earrachs zum Baumschloss gekommen waren, um das Portal zu durchschreiten. Niemand hatte ihm besondere Beachtung geschenkt, denn niemand hätte erwartet, dass ein Elf diesen Schritt ohne den Zwang von Fanmórs Urteil gehen würde. Und dann hatten die Qualen begonnen, das Leiden unter den scharfen Wolkenschatten und den schneidend grellen Spiegelungen und die stetige Gefahr des Vergessens, des sich Verlierens.
Ich habe dich vergessen ... habe die Erinnerungen verloren, sie als Auswüchse an mir getragen, bis der Schutz der Zitadelle mir langsam erlaubte, mich wiederzufinden. Und seither lähmt mich die Angst vor all dem, was Gwynbaen ... nein, jetzt ist sie Bandorchu, die Dunkle Frau ... hier aufgebaut hat. Vor ihrer grausamen Herrschaft, die durch ihre kalte Schönheit noch an Schrecken gewinnt.
Er öffnete die Augen und strich erneut über das Gesichtsrelief.
Ob du wohl noch auf mich wartest? Ob du noch glaubst, was ich gesagt habe? Ob du überhaupt noch an mich denkst?
Ein eisiger Hauch strich durch den Gang, und Ainfars Finger verharrten auf dem Ornament. Seine Augen weiteten sich erneut, kalte Angst umschloss seine Gedanken und ließ sie erstarren.
»Welch seltsame Art, die Gänge zu reinigen«,
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