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Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Er würde sie benutzen, solange sie seinen Plänen und denen seiner Herren dienlich war, und dann vermutlich umbringen.
    Und dennoch erfüllte sie der Anblick dieser schrecklichen Katastrophe mit immer größerem Zorn. Die meisten dieser Männer waren vermutlich gestorben, ohne wirklich zu wissen, warum oder für wen. Leben war so unglaublich wertvoll, und das hier eine so gewaltige … Verschwendung . Ein besseres Wort dafür fiel ihr nicht ein, und sie benutzte es in einem Sinn, auf den sie bisher noch gar nicht gekommen war.
    Sie erreichte das Ufer und wandte sich nach rechts, folgte einem schmalen Pfad, der schon nach wenigen Schritten im Dschungel verschwand. Wie es aussah, waren hier unzählige Füße und beschlagene Pferdehufe entlanggegangen – es mussten Hunderte gewesen sein, wenn nicht Tausende –, und obwohl es noch nicht allzu lange her sein konnte, hatte der Dschungel bereits wieder damit angefangen, die Wunden zu schließen, die ihm die unwillkommenen Eindringlinge zugefügt hatten. Hier und da kroch bereits eine Ranke über abgebrochene Zweige und zermalmte Wurzeln, oder es zeigte sich schon wieder ein erster grüner Schössling. Nach all dem sinnlosen Tod, dessen Zeugin siegerade geworden war, hatte der Anblick etwas Tröstliches. Und er zeigte ihr auch den vielleicht größten Unterschied zwischen dieser Welt und der, die sie bisher für ihre Heimat gehalten hatte: Leben war überall zäh und äußerst findig darin, sich zu behaupten, aber hier schien es geradezu unbesiegbar zu sein.
    Nach vielleicht fünfzig Schritten hielt sie an und wandte sich nach rechts; ein wenig widerwillig, denn ihre Stiefel trugen sie nun direkt in den Dschungel hinein, und das war nicht unbedingt der Ort, zu dem sie sich am meisten hingezogen fühlte. Das Leben, das ihr gerade noch so unbesiegbar und tröstlich vorgekommen war, hatte dort drinnen etwas Bedrohliches. Außerdem krabbelte es und hatte vermutlich jede Menge Stachel, Beißwerkzeuge und Giftzähne. Pia bedauerte es jetzt, nicht wenigstens das Schwert des toten Elbenkriegers mitgenommen zu haben, und zog stattdessen den Elfendolch. Die Klinge aus geschliffenem Diamant teilte Gestrüpp und Unterholz vor ihr wie ein Skalpell, das durch nasses Seidenpapier glitt, und sie wusste auch, dass es hier drinnen nichts gab, das sie fürchten musste, solange sie diese Waffe hatte. Trotzdem fühlte sie sich mit jedem Schritt ein bisschen unwohler.
    Vielleicht war es ja auch so etwas wie eine Vorahnung gewesen, denn trotz allem war sie auf das, was sie hinter dem Gestrüpp fand, durch das sie sich schnitt, nicht vorbereitet.
    Diesmal waren es gleich vier tote Elben, und zu ihnen war das Schicksal nicht so gnädig gewesen wie zu denen, die sie im Fluss gefunden hatte. Wäre sie nicht viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, nach Spinnen und anderem Krabbelgetier Ausschau zu halten, dann hätte sie allein der Geruch von Blut und Tod warnen müssen, der ihr wie eine klebrige Wolke entgegenschlug. Die Männer waren nicht einfach nur getötet worden. Jemand hatte sie regelrecht in Stücke gerissen. Aber sie hatten ihren Mörder mitgenommen, eine riesige schuppige Gestalt mit Hörnern und Krallen, die in Lumpen und die blutverschmierten Fetzen einer ledernen Rüstung gehüllt war. Ihre Größe und die Art, wie siemit dem Rücken gegen einen Baumstamm gelehnt dasaß, als hätte sie sich nur niedergelassen, um einen Moment auszuruhen, ließen Pia erschrocken zusammenfahren und den Elfendolch noch fester umklammern, aber schon im nächsten Moment entspannte sie sich nicht nur wieder, sondern beschimpfte sich auch in Gedanken als hysterische Ziege. Das Ungeheuer hatte die vier Krieger getötet, aber nun drohte keine Gefahr mehr von ihm. Selbst ein Ork von so beeindruckender Größe stand nicht mehr von den Toten auf, wenn man ihm die Kehle von einem Ohr zum anderen aufgeschlitzt hatte.
    Sie blieb trotzdem vorsichtig. Immerhin wusste sie jetzt, wer die Elben überfallen und dieses Blutbad im Fluss angerichtet hatte. Aber wo ein Ork war, da mochte es auch noch mehr geben, und sie wusste aus leidvoller Erfahrung, wie leise sich diese so plump erscheinenden Giganten bewegen konnten und wie verschlagen und heimtückisch sie waren. Aufmerksam drehte sie sich zweimal komplett um die eigene Achse und suchte jeden Busch und jeden Schatten nach einer verräterischen Bewegung oder dem Aufblitzen eines Augenpaares oder einer Schuppe ab. Und selbst als sie sich davon überzeugt hatte,

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