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Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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scharfkantigen Steinen im Flussbett lag, und seine Finger hielten noch im Tod das Schwert umklammert, mit dem er sich erbittert gewehrt haben musste, denn die Spitze der Waffe war abgebrochen, und die Klinge mit frischen Scharten übersät. In seinen weit aufgerissenen Augen stand jedoch eher ein Ausdruck von Überraschung als Furcht oder gar Schmerz. Die einzige Wunde, die sie entdecken konnte, war der abgebrochene Schaft eines Pfeiles, der aus seinem rechten Unterarm ragte – eine Verletzung, die sicher schmerzhaft und alles andere als harmlos war, einen Krieger dieses Kalibers aber kaum aufhalten und ihn schon gar nicht umbringen würde.
    Verwirrt und ein bisschen alarmierter, als sie es sich selbst erklären konnte, stand sie auf und ging zu einem anderen Toten. Es war nahezu dasselbe: Ein Schwerthieb hatte seine Rüstung über der linken Schulter durchschlagen und ihm eine üble Fleischwunde zugefügt, aber auch das war nichts, was einen so gewaltigen Krieger töten würde, jedenfalls nicht auf der Stelle.
    Sie untersuchte fast ein halbes Dutzend Leichname. Einige von ihnen waren wirklich übel zugerichtet, aber die allermeisten wiesen eher harmlose Verletzungen auf, und dasselbe galt für die beiden toten Pferde, die sie untersuchte. Beide waren von Pfeilen niedergestreckt, aber auch sie nicht an lebensbedrohlichen Stellen getroffen worden. Es wurde immer rätselhafter. Und immer erschreckender.
    Sie hatte diese Krieger im Kampf erlebt und wusste, wozu sie fähig waren ... aber sie sah keinen einzigen erschlagenen Gegner. Entweder hatten die Angreifer alle ihre Toten mitgenommen – oder es hatte keine gegeben. Aber das war natürlich Unsinn.Selbst eine gewaltige Übermacht von Orks hätte dieses Gemetzel hier nicht anrichten können, ohne einen verdammt hohen Preis dafür zu bezahlen. Aber wo waren sie?
    Der Gedanke brachte einen Schrecken mit sich, den sie nicht an sich heranlassen wollte, ein Vorhaben, das ihr allerdings nicht ganz gelang. Es war nicht das erste Mal, dass sie auf einem Schlachtfeld stand, und es war auch nicht das erste Mal, dass sie erlebte, dass die als unbesiegbar geltenden Schattenelben geschlagen wurden. Aber in WeißWald waren es einige wenige Krieger gewesen, die von einer ganzen Armee überrannt worden waren, und für jeden toten Elben waren zehn Orks auf dem Schlachtfeld geblieben.
    Hier gab es nur tote Krieger in schwarzen Rüstungen. Pia zählte mindestens zwei Dutzend, allein auf dem kleinen Teil der Furt, das sie übersehen konnte, und noch etliche weitere reglose Körper, die sich zwischen den Felsen der Stromschnellen verfangen hatten und nun selbst kleine vergängliche Hindernisse für die reißenden Fluten bildeten. Wie viele die Strömung davongetragen hatte, konnte sie nicht einmal erraten. Aber es war gewiss eine Menge gewesen.
    Sie hatte genug gesehen, wandte sich mit einem Ruck um und wollte zu Flammenhuf zurückgehen, doch ihre Stiefel waren anderer Meinung. Nicht zum ersten Mal musste sie um ihr Gleichgewicht kämpfen, als sich ihre Füße in eine andere Richtung bewegten, als sie es wollte, doch diesmal versuchte sie nicht, dagegen anzukämpfen. Statt auf den Pegasus bewegte sie sich nun auf das östliche Ufer zu. Flammenhuf folgte ihr, wenn auch in gehörigem Abstand und nicht, ohne seiner Missbilligung mit einem lautstarken Schnauben Ausdruck verliehen zu haben.
    Sie fand noch mehr Tote, die sie sich zu ignorieren zwang, und kurz bevor sie das Ufer erreichte, musste sie über einen zerborstenen Wagen klettern, der wie ein bizarres gestrandetes Schiff auf der Seite lag und die Furt auf ganzer Breite blockierte. Die Kämpfe mussten hier besonders heftig gewesen sein, denn sieentdeckte unter den Trümmern gleich drei tote Schattenelben, deren zerschlagene Rüstungen und klaffende Wunden Zeugnis davon ablegten, wie erbittert sie sich zur Wehr gesetzt hatten. Genutzt hatte es ihnen nichts.
    Ein sonderbares Gefühl von Trauer überkam Pia. Sie hatte wenig Grund, sich diesen Männern freundschaftlich verbunden zu fühlen, ganz gleich, wie ergeben ihr Schild Eirann und seine Krieger auch sein mochten und wie sehr sie Farlan bedauerte, dem sie das Wichtigste in seinem Leben genommen hatte, ohne es auch nur zu wissen – ihre Erfahrungen mit den Kriegern aus Elfenborg waren zum allergrößten Teil negativ, und ob Torman sie nun tatsächlich für die wiedergeborene Prinzessin Gaylen hielt oder nur für eine weitere Betrügerin, spielte für ihn vermutlich keine große Rolle.

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