Elfenzorn
diese verrückte Idee?«
»Glaubt mir, mit dieser Macht ist es nicht annähernd so weit her, wie die meisten vermuten. Und der Preis dafür ist viel zu hoch. Wir herrschen seit einem Jahrtausend über dieses Land, das ist wahr, aber wir sind weder Tyrannen noch verlangen wir, dass die Menschen uns anbeten oder gar den Glauben an ihre eigenen Götter aufgeben. Unsere sogenannte Herrschaft über dieses Land beschränkt sich auf Elfenborg und einige wenige weitere Städte an der Küste. Wie viele von uns habt Ihr gesehen in all der Zeit, in der Ihr in WeißWald wart, Gaylen?«
Die Wahrheit war: keinen, dachte Pia. Aber sie verstandimmer weniger, worauf Schwert Torman eigentlich hinauswollte. Sie war auch nicht ganz sicher, ob sie überhaupt noch in der Lage war, es verstehen zu können. Sie fühlte sich immer schlechter. Ihre Übelkeit war schlimmer geworden, und sie spürte, wie sie allmählich Fieber bekam.
»Also gut.« Torman seufzte sehr tief. »Ihr wollt mir nicht sagen, warum Ihr hergekommen seid. Das ist bedauerlich, aber ich muss es wohl akzeptieren. Dann werde ich Euch sagen, warum wir hier sind. Seit sich die Nachricht von Eurer Rückkehr verbreitet hat, steht das Land in Flammen. Städte führen Krieg gegeneinander, und Menschen, die seit hundert Jahren in Frieden als Nachbarn miteinander gelebt haben, greifen zu den Waffen und erschlagen die, die noch gestern ihre Freunde waren. Vielleicht haben wir nicht wirklich über dieses Land geherrscht, wie manche behaupten, aber seit vielen Jahrhunderten herrschte Frieden.«
»Frieden?«, wiederholte Pia bitter. Sie dachte an WeißWald, das unter einem seit Jahrhunderten anhaltenden magischen Winter litt und in dem Kinder getötet wurden, nur weil es der Stadtwache Spaß machte, sie zu jagen. »Und um welchen Preis?«
»Einen hohen«, gab Torman unumwunden zu. »Aber vielleicht ist es noch der geringste, der möglich war.«
»Ihr meint, besser ein Leben in Sklaverei und Not –«
»Als gar keines?« Schwert Torman nickte heftig. »In der Tat, Erhabene, das meine ich. Und was die Sklaverei und den Terror angeht, so ist es nicht unsere Sklaverei und nicht unser Terror.«
»Ach nein?«, fragte Pia spöttisch ... oder hätte es spöttisch getan, hätte das Zittern ihrer Stimme ihr den beabsichtigten Effekt nicht gründlich verdorben. Sie fühlte sich immer schlechter. Ihr Herz schlug mindestens doppelt so schnell, wie es sollte, und sie hatte jetzt ganz eindeutig Fieber. »Dann haben all diese Leute sich das selbst angetan, weil sie gerade nichts Besseres zu tun hatten. Wieso bin ich nur nicht von selbst darauf gekommen?«
»Elfenborg sorgt dafür, dass der Frieden im Land erhalten bleibt«, fuhr Torman unbeeindruckt fort. »Wir erlassen dieGesetze, die den Frieden und die Stabilität im Lande aufrechterhalten, und wir sorgen dafür, dass sie eingehalten werden und die Welt nicht im Chaos versinkt. Nicht mehr und nicht weniger. Elfenborg mischt sich nicht in die Gesetze oder das Leben eines einzelnen Reiches ein, oder gar einer einzelnen Stadt. Was die Menschen dort einander antun, das ist ganz allein ihre Entscheidung.«
»Macht Ihr es Euch da nicht ein bisschen zu einfach?«, fragte Pia.
»Möglicherweise«, sagte Torman gelassen. »Aber es ist der einzige Weg, ein so großes Land zu regieren, noch dazu über eine so lange Zeit. Und es hat funktioniert.«
»Solange sich niemand dagegen gewehrt hat?«
»Die Menschen in diesem Land waren Wilde, bevor wir gekommen sind«, sagte Torman. »Dieses ganze Land war im Krieg, einem Krieg, der niemals endete und keinen wirklichen Grund hatte. Die Menschen kannten nur die Furcht vor ihren Göttern und deren Priestern; und den Tod durch Hunger, auf dem Schlachtfeld oder dem Altar, wo sie ihren blutrünstigen Göttern geopfert wurden. Wir haben die Priester getötet, ihre Könige verjagt und die Menschen befreit. Wenn Ihr das Tyrannei nennen wollt, dann tut es. Der Frieden, den diese Tyrannei diesem Land und seinen Menschen gebracht hat, hat ein Jahrtausend gewährt.«
»Bis ich aufgetaucht bin, meint Ihr.«
»Es ist nicht Eure Schuld«, sagte Torman.
Das war nicht die Antwort, die sie hatte hören wollen.
»Wir waren auf dem Weg zu Euch und Euren Verbündeten, Erhabene«, fuhr Torman fort. »Die Lage ist schlimm. Das Land versinkt in Feuer und Chaos, und Nandes und seine Vereinigung aus Barbaren und Orks machen alles nur noch viel schlimmer. Wir wurden geschickt, um die Orks aufzuspüren und die Gefahr zu
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