Elfenzorn
dürren Spinnenfingern beugte sich über sie und machte sich an ihr zu schaffen. Sie wollte gar nicht so genau wissen, was es tat, aber es war nicht besonders angenehm. Eine andere Vision war deutlich weniger unangenehm, wenn auch mindestens genauso verrückt: Sie glaubte Ixchel zu sehen, die alte Indio-Frau, die sich über sie beugte und ihr irgendeine abscheulich schmeckende Flüssigkeit einzuflößen versuchte.
Dann schlug sie die Augen auf, und aus der Halluzination wurde Wirklichkeit. Ixchel saß neben ihr auf der Bettkante und versuchte zwar nicht, sie zu vergiften, sah sie aber mindestens so strafend an, wie es die Ixchel aus ihrem Traum getan hatte.
»Du dummes, dummes Kind«, sagte sie. »Was hast du dir nur dabei gedacht?«
Pia wusste weder, womit sie diese herzerwärmde Begrüßung verdient hatte, noch, wovon Ixchel eigentlich sprach. Und sie wusste erst recht nicht, wie Ixchel überhaupt hierherkam ... oder war es umgekehrt?
Es verging noch ein weiterer, kurzer Moment, bevor ihr klar wurde, dass mit ihrer Umgebung tatsächlich etwas nicht so war,wie es sein sollte, und die Frage lauten musste: Wie kam sie hierher?
Verwirrt setzte sie sich auf und sah sich um. Statt auf einem schmalen Feldbett in Tormans Heerlager war sie in ihrem eigenen Bett erwacht, und die Wände ringsum bestanden auch nicht mehr aus brüchigen Zeltbahnen, sondern aus uraltem Stein. Sie war wieder in Chichen Itza, und die einzige wirklich spannende Frage war: »Wie komme ich hierher?«
»Schwert Torman hat Flammenhuf mit einem Boten zu mir geschickt, weil er sich Sorgen um dich gemacht hat.«
»Flammenhuf ?« Ihre Gedanken mussten wirklich ein bisschen eingerostet sein, denn es vergingen erneut zwei oder drei Sekunden, bevor ihr der Fehler in Ixchels Worten auffiel und sie erstaunt zu ihr hochsah. »Aber er lässt nie einen Elben auf seinen Rücken!«
»Er muss wohl gespürt haben, wie wichtig es war«, bestätigte Ixchel. »Ich habe ihm aufgetragen, dich hierherzubringen, und er hat es getan.«
»Schwert Torman?«
»Der Pegasus«, antwortete Ixchel kopfschüttelnd. »Aber Schwert Torman hat dich gehen lassen, was ich ihm hoch anrechnen muss. Wie konntest du das nur tun? Hast du denn gar kein bisschen Gefühl für Verantwortung? Was hattest du vor? Dein Kind zu töten, bevor es überhaupt geboren wird?«
»Nein«, antwortete Pia zerknirscht. »Es tut mir so leid. Aber ich ...« Sie hob hilflos die Schultern und lauschte in sich hinein. Zu sagen, dass sie sich wohlfühlte, wäre übertrieben gewesen, aber sowohl die Übelkeit als auch die Krämpfe waren fort, und sie fühlte sich nur sehr matt.
»Du darfst so etwas nie wieder tun, Kind«, sagte Ixchel. »Es sei denn, dir liegt nichts an deinem Leben – und an dem deines ungeborenen Kindes.«
»Hm«, machte Pia. Aber dann regte sich auch Trotz in ihr. »So schlimm war es doch gar nicht. He, ich bin schwanger, nicht todkrank. Und auch das erst seit ein paar Tagen!«
Ixchel setzte zu einer noch sehr viel ärgerlicheren Antwort an, sah aber dann nur mit schräg gelegtem Kopf auf sie herab und wirkte nun eher nachdenklich. »Du weißt es wirklich nicht?«
»Nein«, antwortete Pia. Dann blinzelte sie und fügte hinzu: »Was?«
Statt zu antworten, griff Ixchel nach ihrem rechten Arm und drehte ihn so, dass sie ihre Handfläche sehen konnte.
Sie hätte erschrecken sollen, war jedoch im allerersten Moment einfach nur verwirrt. Ihre Handfläche war gerötet, wie nach einem wirklich schlimmen Sonnenbrand, und hier und da waren sogar kleine nässende Blasen zu erkennen. Dünne rote Linien zogen sich weiter an ihrem Arm herauf und verblassten nur ganz allmählich, und nachdem sie nur lange genug hingesehen hatte, begannen die roten Stellen auch wehzutun. Prüfend bewegte sie die Finger, und auch das tat weh.
»Was ... ist das?«, fragte sie stockend. Hatte sie sich verbrannt? Sie erinnerte sich nicht.
Ixchel antwortete auch darauf nicht, sondern ließ ihre Hand los und schlug die bunt bestickte Decke zurück, unter der sie erwacht war. Darunter trug sie nichts, aber daran verschwendete sie nicht einmal einen Gedanken, als sie den gut unterarmlangen, roten Fleck sah, der über ihrer rechten Hüfte begann und sich ein gutes Stück weit ihren Oberschenkel hinabzog. Die Haut war vielleicht nicht ganz so rot wie auf ihrer Handfläche, und es gab auch keine Blasen und nässenden Stellen, aber sie war dennoch entzündet und rot und so empfindlich, dass es schon fast wehtat, sie auch nur
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