Elfenzorn
schwarze Rüstung sah. Auch er trug jetzt nur so etwas wie ein weißes Nachthemd und dünne Schnürsandalen, und sein Gesicht war fast so grau wie Landras’ Haar. Er hatte sein Schwertbei sich, aber nur, um es als Stütze zu benutzen, weil er sich aus eigener Kraft kaum noch auf den Beinen halten konnte. Hinter ihm stand ein weiterer Krieger, der seine Waffe nicht gezogen hatte, sondern ganz eindeutig bereitstand, um ihn aufzufangen, sollten ihn die Kräfte verlassen ... was Pias Meinung nach jeden Moment der Fall sein konnte. Sein Anblick versetzte ihr einen tiefen Stich, der sich wie eine dünne Nadel aus purem Leid tief in ihr Herz bohrte. Sein Gesicht war eingefallen und von Leid und Schmerz gezeichnet, und in seinen Augen war ein trüber Glanz, der sie mehr als alles andere erschreckte. Sie hatte erwartet, seine rechte Hand dick verbunden zu sehen, aber sein Arm hing nicht einmal in einer Schlinge. Der Kratzer, den sie ihm zugefügt hatte, war tatsächlich nicht mehr als ein Kratzer, aber aus irgendeinem Grund erschreckte sie dieser Anblick beinahe noch mehr.
»Prinzessin Gaylen.« Torman deutete ein schwächliches Nicken an. »Ich hoffe doch, man hat Euch gut behandelt.«
Ganz egal, was sie dazu sagen wollte, ihre Kehle war plötzlich wie zugeschnürt. Sie war fast schon dankbar, dass Landras seine Überraschung deutlich schneller als sie überwand und sich in einem Ton und mit einem Blick an Torman wandte, von dem dieser offensichtlich genauso wenig wie sie sicher war, dass sie tatsächlich nur ehrerbietig gemeint waren.
»Schwert«, sagte er. »Was tut Ihr hier? Ihr müsst Euch schonen, und –«
»Ja, ich weiß«, unterbrach ihn Torman. »Und sobald es meine Zeit zulässt, werde ich auch auf deinen Rat hören und klaglos alles über mich ergehen lassen, was deine Heiler mit mir anstellen. Aber im Augenblick haben wir Wichtigeres zu tun, fürchte ich.« Er schenkte Landras noch einen eisigen Blick, der sich als Lächeln tarnte, und wandte sich dann mit demonstrativer Gestik an Pia.
»Ich wollte Euch nicht belauschen, Erhabene, aber ich kam nicht umhin, Eure Worte mit anzuhören. Ihr müsst Schild Landras’ Zweifel verstehen.«
»Muss ich das?«, fragte Pia.
»Schild Landras nimmt seine Verantwortung sehr ernst«, bestätigte Torman. »Und er kennt die Orks ebenso gut wie ich. Sie sind nicht unbedingt für ihre überragenden Fähigkeiten im Kampf bekannt.«
Pia sagte nichts dazu, dachte sich aber ihren Teil. Es musste wohl ein anderer Schwert Torman gewesen sein, der Seite an Seite mit ihr vergeblich versucht hatte, WeißWald gegen Nandes’ Orkhorden zu verteidigen, die wie die Heerscharen der Hölle selbst darüber hergefallen waren.
Torman kam näher, noch immer auf sein als Krücke missbrauchtes Schwert gestützt. In nur einem Schritt Abstand folgte ihm sein Beschützer. Sein Blick streifte das Silberschwert, und sein Gesicht sah nun nicht mehr nur krank aus, sondern auch unendlich besorgt.
»Allerdings würde das einiges erklären«, fügte er in sonderbarem Tonfall hinzu.
»Unsinn!«, versetzte Landras. »Woher sollten sie –?«
»Prinzessin Gaylen würde uns nicht belügen«, unterbrach ihn Torman. »Sie mag andere Ziele verfolgen als wir, aber die Orks sind ebenso ihre Feinde wie die unseren.«
»Es wäre für die Grünhäute genauso gefährlich wie für uns«, beharrte Schild Landras.
Torman sagte nichts mehr dazu, sondern betrachtete die Klinge nur noch einmal, jetzt mit einem schon fast ehrfürchtigen Blick, und bedeutete dem Mann schließlich mit einer knappen Geste, das Kästchen zu schließen, was dieser auch mit allen Anzeichen der Erleichterung tat.
»Es wäre immerhin eine Erklärung«, sagte er nachdenklich. »Wenn auch nicht unbedingt eine, die mir gefällt.«
»Wofür?«, fragte Pia.
Torman schien einen Moment zu überlegen, ob er diese Frage überhaupt beantworten sollte, und als er es dann doch tat, konnte sie Landras ansehen, wie wenig recht ihm das war.
»Es ist nicht das erste Mal«, sagte er.
»Was?«
»Dass einer unserer Trupps spurlos verschwindet oder bis auf den letzten Mann ausgelöscht wird«, antwortete Torman. »Wenn sie tatsächlich über solche Waffen verfügen ...«
»Dann hättet ihr ein Problem.«
»Nicht nur wir«, erwiderte Torman ernst. »Die Orks sind jedermanns Feind. Eure Verbündeten mag es vielleicht nicht weiter stören, wenn sie uns schlagen, aber sie werden nicht aufhören, nachdem wir besiegt sind, sondern sich dem nächsten zuwenden.
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