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Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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konnte dabei zusehen, wie das Mitgefühl in ihrem Blick erlosch und etwas anderem wich, das vielleicht nicht mehr ganz so angenehm war. Aber sie hatte alles gehört, was sie hören wollte.
    Jesus lebte, und das war im Moment alles, was sie interessierte.
    Sie würde dafür sorgen, dass es so blieb.
    Und wenn sie dafür eine Kraft brauchte, die ihr auf dieser Welt nicht zur Verfügung stand, dann musste sie ihn eben in eine andere schaffen.

IV
    S ie hatte die Klinik nicht auf demselben Weg verlassen, sondern durch einen Seiteneingang, den Linda ihr gezeigt hatte, und der in einen kleinen, penibel gepflegten Garten hinausführte, der zwar so aussah, als könnte man guten Gewissens von dem mit einer Nagelschere geschnittenen Rasen essen, aber nicht so, als wäre er jemals benutzt worden.
    Sie hatte auch darauf verzichtet, ihren magischen Schutz noch einmal zu bemühen, sondern einfach die Dunkelheit und die richtigen Schatten ausgenutzt, um sich weitestgehend unsichtbar zu machen und wieder zur Straße zu gelangen, und nicht einmal das wäre notwendig gewesen, denn der silberfarbene BMW parkte nicht mehr in der Zufahrt. Max und sein Bruder waren verschwunden. Pia überlegte einen Moment, ob das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war, kam zu dem Schluss, dass ihr das gerade herzlich egal sein konnte, und steuerte ganz automatisch die Ampel an, an der sie vorhin die Straße überquert hatte. Diesmal würde sie sie tatsächlich brauchen, um unversehrt über die Straße zu gelangen. Der Verkehr hatte zugenommen, während sie drinnen in der Klinik gewesen war. Gut die Hälfte der Wagen fuhr ohne Licht und mindestens die Hälfte der anderen so schnell und aggressiv, dass es keinen Unterschied machte; allenfalls den, dass sie mit Licht sahen, was sie überfuhren. Pia beobachtete sich selbst mit einem Gefühl von gelindem Staunen dabei, am Straßenrand zu stehen und den glitzernden Strom vor sich mit einem Gefühl zu betrachten, von dem sie sich vergeblich einzureden versuchte, es wäre keine Angst. Sie war unsicher wie nie zuvor, als sie die Straße überquerte, und auf der anderen Seite angekommen empfand sie eine so tiefe Erleichterung, dass sie hörbar aufatmete.
    Was geschah mit ihr? Sie war schließlich in dieser Stadt aufgewachsen, und es gab Gegenden und vor allem Zeiten, in denender Verkehr tatsächlich die Hölle war, gegen den sich der brüllende Strom hinter ihr ausnahm wie eine gemächliche Landpartie. Sie hatte sich in diesem Strom immer so sicher und selbstverständlich bewegt wie ein Fisch in seinem natürlichen Element, und im Grunde nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet, dass ihr Leben ein ziemlich abruptes Ende unter einer Tonne Metall und Kunststoff finden könnte. Sie war – selbst subjektiv – nur kurze Zeit weg gewesen, und doch hatte die wenige Zeit gereicht, um sie von dieser Stadt zu entfremden. Es war nicht einmal so sehr die Gefahr für Leib und Leben, die von diesem übel riechenden, lärmenden Strom hinter ihr ausging (obwohl sie sich ihr bewusst war), sondern sehr viel mehr das Gefühl, dass es einfach nicht richtig war, dass Menschen sich auf diese Weise bewegten.
    Sie schüttelte den Gedanken ab, sah einen Moment nachdenklich in die Richtung, in der das Café mit dem freundlichen Kellner lag, und entfernte sich dann in die entgegengesetzte Richtung. Sie hatte das Gefühl, im Augenblick nichts so dringend zu brauchen wie einen Menschen, mit dem sie reden konnte und der ihr einfach zuhörte, und sie war auch ziemlich sicher, dass der Kellner der richtige Kandidat dafür gewesen wäre, und genau das war der Grund, aus dem sie nicht zu ihm zurückging. Die kindische Idee, verflucht zu sein und jedem Unglück zu bringen, dem sie begegnete, hatte sie mittlerweile als eine ebensolche verworfen, aber vielleicht war dennoch eine Spur Wahrheit daran. Das Gespenst war genau dann aufgetaucht, als sie zum ersten Mal fast so etwas wie Sympathie für die beiden Männer empfunden hatte (zumindest für Max), und vielleicht war es eben doch kein reiner Zufall gewesen.
    Falsch , verbesserte sie sich in Gedanken. Das Ding war aufgetaucht, als Consuela den Ring angesteckt hatte, und sie hatte sein Herannahen am Morgen zuvor zumindest gespürt, als Peralta beinahe dasselbe getan hätte. Es hatte irgendetwas mit diesem Ring zu tun, und tief in ihren Gedanken vergraben hatte sie sogareine recht konkrete Vorstellung davon, was. Solange sie nicht in die unmittelbare Nähe des Ringes kam (oder ihn gar

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