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Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ihm nur helfen.« Sie hörte sogar selbst, wie das klang.
    »Helfen?«, ächzte der Arzt. »Sind Sie verrückt geworden? Wollten Sie ihn umbringen, oder was?«
    »Es ist alles in Ordnung, Herr Professor«, sagte die Krankenschwester. »Der Patient ist stabil.«
    Stabil? Pia drehte sich überrascht zu der jungen Frau um und starrte sie an, aber ihre wilde Hoffnung hielt nur genauso lange an, bis ihr Blick dem ihren begegnete. In ihren Augen war nichts als Trauer und ein tiefes, ehrlich empfundenes Mitgefühl.
    »Stabil, papperlapapp!«, sagte der Arzt aufgebracht. »DerMann stirbt, und er hat das Recht, das mit Würde und Anstand zu tun! Das hier ist doch kein Kindergarten, verdammt noch mal! Und jetzt rufen Sie endlich den Sicherheitsdienst!«
    »Das ist nicht nötig«, sagte Pia rasch. »Es tut mir leid. Ich gehe schon.« Sie warf Jesus noch einen letzten, traurigen Blick zu, drehte sich dann mit einem Ruck um und wollte das Zimmer verlassen, aber der Arzt versperrte ihr den Weg und hielt sie am Arm fest. Für ungefähr eine Sekunde, dann trafen sich ihre Blicke, und er zog die Hand hastig zurück.
    Allerdings gab er den Weg nicht frei. »Nicht ganz so schnell«, sagte er. »Wie sind Sie hier hereingekommen? Wer sind Sie überhaupt, und was tun Sie hier?«
    »Er ist mein Freund«, antwortete Pia ruhig. »Ich wollte mich nur … von ihm verabschieden, das ist alles. Ich wusste nicht, dass das verboten ist. Die Tür stand offen.«
    »Blödsinn!«, antwortete der Arzt. »Wer hat Sie hereingelassen?«
    »Niemand«, antwortete Pia ruhig. »Ich habe mich hereingeschlichen. Ich kann so was.«
    »Ach?«, fragte der Arzt. »Und wie?«
    Pia zeigte es ihm.
    Die Augen des Arztes quollen vor Unglauben tatsächlich ein Stück aus den Höhlen, als sie vor ihm einfach verschwand. Er hätte einfach nur die Hand ausstrecken müssen, um sie zu packen und festzuhalten, aber bevor er seine Überraschung überwinden und auch nur ein ungläubiges Keuchen hervorbringen konnte, war Pia bereits an ihm vorbei und auf den Flur hinausgetreten. Rasch entfernte sie sich ein paar Schritte von der Tür, trat wahllos in das nächstbeste Zimmer und stellte erleichtert fest, dass es leer war. Die Intensivstation dieser Klinik war entweder so teuer, dass sich nur wenige einen längeren Aufenthalt hier leisten konnten, oder die Bewohner der umliegenden Viertel erfreuten sich einer überdurchschnittlich guten Gesundheit.
    Sie zog die Tür lautlos und schnell hinter sich zu, ließ sie abereinen schmalen Spaltbreit offen stehen, um lauschen zu können. Nur einen Moment später hörte sie, wie Professor Kotzbrocken auf den Flur herauspolterte und wütend auf jemanden einzureden begann – vermutlich die unglückselige Krankenschwester – aber es fiel ihr schwer, sich auf die Worte zu konzentrieren. Ihre Gedanken drehten sich immer noch wie wild im Kreis, und aus dem Schrecken, den sie bisher empfunden hatte, wurde ganz langsam Verzweiflung. Wieso hatten sie ihre Kräfte im Stich gelassen? Sie hatte Lasar geheilt, obwohl er in viel schlechterem Zustand gewesen war als Jesus, und sie hatte Keri immerhin seine Schmerzen genommen, obwohl er so schrecklich verletzt gewesen war, dass ihm wohl nicht einmal die besten Ärzte beider Welten zusammen hätten helfen können. Wieso also ließen sie ihre Kräfte ausgerechnet jetzt im Stich?
    Vielleicht hätte sie sich doch nicht mit Gott selbst anlegen sollen.
    Jetzt überschätzt du dich, Prinzessin Gaylen. Wenn es so etwas wie einen allmächtigen Gott gab, dann war er ganz bestimmt nicht so nachtragend, sich wegen einer kleinen Entgleisung so aufzuführen … und wenn doch, dann hätte sie wahrscheinlich längst ein Blitz göttlichen Zorns getroffen und in einen rauchenden Aschehaufen verwandelt.
    Der Gedanke, so albern er war, half. Wenn Gott sie nicht auf seiner persönlichen Hassliste ganz nach oben befördert hatte, dann musste es eine andere Erklärung dafür geben, dass ihre magischen Heilkünste sie so plötzlich im Stich ließen. Vielleicht wirkten sie ja bei Menschen aus dieser Welt nicht.
    Oder sie funktionierten nicht in dieser Welt.
    Da kam ihr eine Idee, die aus nichts anderem als purer Verzweiflung geboren war, aber es war auch die einzige, die sie hatte. Und sie war nicht nur verzweifelt, sondern auch praktisch undurchführbar. Aber welche andere Wahl hatte sie schon?
    Schritte polterten am Türspalt vorbei, hinter dem sie in Schatten gehüllt stand und lauschte. So behutsam sie konnte, zog siedie Tür

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