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Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einem grausamen Schicksal nicht klaglos zu beugen, das sich einbildete, ihr Jesus nicht nur zum zweiten Mal wegnehmen zu können, sondern sie auch zum zweiten Mal dabei zusehen zu lassen.
    Sie schlug das dünne Laken zurück, mit dem sie Jesus zugedeckt hatten, und betrachtete aufmerksam seinen Körper. Abgesehen von einem winzigen Pflaster in seiner Armbeuge und einem erstaunlich schmalen weißen Verband um seine Brust war er vollkommen unversehrt, was den Anblick aber auf eine sonderbare Weise beinahe noch schlimmer machte.
    Nein. Sie würde ihn sich ihn nicht noch einmal wegnehmen lassen. Nicht von einem dummen, fehlgeleiteten Dolch, nicht vom Schicksal und nicht einmal von Gott. Wenn dieser unbedingt Streit suchte, konnte er ihn haben!
    Sie versuchte sich daran zu erinnern, was genau sie getan hatte, um Keris Schmerz zu lindern und Lasars Leben zu retten. Es gelang ihr nicht, aber wahrscheinlich war das auch nicht nötig. Sie hatte nichts bewusst getan, sondern sich einfach treiben lassen, und irgendetwas in ihr hatte genau gewusst, was zu tun war.
    Behutsam löste sie die Atemmaske von seinem Gesicht, beugte sich über ihn und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen, dann legte sie die gespreizten Finger der rechten Hand auf seine Stirn, die andere Hand auf seine Brust und schloss die Augen, um in ihn hineinzulauschen. Seine Haut fühlte sich gleichzeitig kalt und fiebrig-heiß an, und sie konnte spüren, wie langsam und hart sein Herz schlug. Ein ganz sachter, aber unangenehmer Geruch stieg ihr in die Nase, nicht nur der Geruch nach Krankheit und Blut, sondern etwas viel Schlimmeres, das von ihm Besitz ergreifen wollte. Nach einem weiteren Moment konnte sie sogar das Geräusch seiner Atemzüge hören, ein mühsames Rasseln, das bisher von der Sauerstoffmaske über seinem Gesicht gedämpft worden war.
    Aber sonst nichts.
    Da war keine schwarze Flamme. Kein Schmerz, den sie teilen und lindern konnte, und kein Lebensfeuer, das sie neu hätte entfachen können. Und auch in ihr war nichts. Die unheimliche Kraft, die sie dem Tod entgegengeschleudert hatte, um Lasar von seinem Sterbebett zu vertreiben, war nicht mehr da.
    Pia öffnete die Augen, sah Jesus an – sein Gesicht war immer noch schlaff und unbewegt, aber sie war dennoch sicher, dass sich etwas darin verändert hatte, auch wenn sie nicht sagen konnte, was –, presste die Lider wieder fest zusammen und konzentrierte sich, sosehr sie nur konnte, aber das Ergebnis war dasselbe. Da war nichts. Was auch immer in ihr gewesen war, jene unheimliche Macht, gewaltig genug, um selbst dem Tod zu trotzen, sie war nicht mehr da.
    Panik wollte nach ihren Gedanken greifen, aber das ließ sie nicht zu. Stattdessen versuchte sie sich zu entspannen. Vielleicht ging sie es einfach nur falsch an. Vielleicht versuchte sie etwas herbeizuzwingen, was sich nicht herbeizwingen ließ. Vielleicht –
    »Was zum Teufel tun Sie da?«
    Pia fuhr mit einer so erschrockenen Bewegung zusammen und herum, dass sie gegen das Bett stieß und der Computer inder Wand darüber ein protestierendes Pfeifen von sich gab. Die Schwester war zurückgekommen, und sie war nicht allein. Ein etwa fünfzigjähriger kahlköpfiger Mann in einem weißen Arztkittel stand neben ihr unter der geöffneten Tür und funkelte Pia mit einer Mischung aus Überraschung und heiligem Zorn an. »Wer zum Teufel sind Sie, und was haben Sie hier zu suchen?«
    Er wartete ihre Antwort gar nicht erst ab, sondern wandte sich aufgeregt mit beiden Händen gestikulierend an die Krankenschwester. »Rufen Sie den Sicherheitsdienst, Linda! Und über die Frage, wie diese Person hier hereingekommen ist, reden wir später!«
    »Sofort, Herr Professor«, antwortete Linda, ging aber nicht hinaus, um den Wachschutz zu rufen, sondern trat mit zwei schnellen Schritten an Jesus’ Bett und schob Pia unsanft zur Seite. Schnell, aber trotzdem sehr vorsichtig befestigte sie die Plastikmaske wieder über seinem Gesicht, griff nach Jesus’ Handgelenk und lauschte ein paar Sekunden lang mit geschlossenen Augen nach seinem Puls, bevor sie an den Computer in der Wand trat und rasch hintereinander drei oder vier virtuelle Tasten auf dem Touchscreen berührte. Der Blick, mit dem sie Pia dabei streifte, schwankte irgendwo zwischen gerechter Empörung und Mitleid.
    »Also, noch mal!«, fuhr der Arzt fort. »Wer sind Sie, und was zum Teufel tun Sie da? Haben Sie den Verstand verloren?«
    »Nichts«, antwortete Pia leise. »Ich … es tut mir leid. Ich wollte

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