Elfriede im Salon (German Edition)

kombinieren; etwa damit überlebensfähigere Nachkommen gezeugt wurden. So wie die zweigeschlechtliche Fortpflanzung offenbar Vorteile vor der eingeschlechtlichen hat, könnte ein Drei-Komponenten-Sex Vorteile gegenüber einem Zwei-Komponenten-Sex haben. Die Spermien der beiden kopulierenden Männchen verbinden sich auf geheimnisvolle Weise und diese Verbindung befruchtet dann die weibliche Eizelle. Es würde Sinn machen, dass der Sex mit nur zwei Partnern auch zur Nachkommenschaft führt, aber eben mit einem leicht schlechteren Ergebnis. - Ein kleines Detail von dem, was die Philosophen an einem der Vorabende hätten diskutieren können. Was auch immer dieser Abend noch an Ereignissen bringen mochte, es war nicht ganz ausgeschlossen, dass es ein sehr wortloser Abend würde.
     
    Der Abend hatte keine systematische Vorbereitung. Es hatte im Vorfelde nur eine Diskussion darüber gegeben, ob ein solcher Abend stattfinden sollte. Beispielsweise hatten die drei Philosophen ein bestimmtes, individuelles Verhältnis zur Prostitution, dies blieb aber unausgesprochen. Es war unter den Freunden wohl bekannt, dass Robert Unmuth auf seinen Reisen Umgang mit Prostituierten hatte, aber es war eher typisch für die Freunde über Sexualität nicht zu reden. War der heutige Abend einfach nur ein versuchter Befreiungsschlag, um ihrer Beziehung eine neue Qualität zu geben, unter dem Vorwand, unter nicht leichten Umständen über ein schwieriges Thema philosophieren zu wollen? Sollten wahre Freunde es gemeinsam mit einer Hure getrieben haben? War es denkbar, dass es Charaktere gab, die es allein nie und nimmer mit einer Prostituierten versucht hätten, aber das Abenteuer in der Gruppe gewagt hätten. Sex ist für viele eine quasi geheimnisvolle bzw. intime Angelegenheit und es soll durchaus Menschen geben, denen es leichter fällt, ihn zu praktizieren, als über ihn zu reden. Gehörten die Philosophen zu dieser Gruppe, so war es immerhin denkbar, dass ihnen auch nun im Salon die Aktion leichter fiel als das Wort. Sex mit einer Nutte ist etwas anderes als Sex mit jemandem, mit dem man zusätzlich Liebkosungen austauscht. Die Intimität beim Sex hat an sich mindestens zwei Seiten. Eventuell erlebt man ein besonders intensives Gefühl, welches für einen Außenstehenden nicht zugänglich ist. Das Intime ist vielleicht der Grund, dass niemand Drittes den Ausdruck der Gefühle miterleben soll. Nur der nahestehende Mensch darf mich so erleben. Aber die Nutte steht niemandem nahe. Im Übrigen ist zumindest von Männern bekannt, dass sie sich Sex mit Personen wünschen, die sie gar nicht kennen. Von der Nutte wird nicht erwartet, dass sie einen liebkost, Liebe vorspielt; ein bisschen aber, dass sie anerkennt, dass man ein guter Liebhaber ist. Inwieweit ist man mit einer Nutte intim? Und wenn die Intimität mit einer Nutte eine andere Qualität hat, so ist es vielleicht dann auch leichter sich beim Treiben mit einer Nutte zusehen zulassen, als wenn man es mit seiner eigenen Frau macht. Die Probleme sind vielschichtig und komplex und es wäre die Aufgabe der Philosophen gewesen, in theoretischer Vorarbeit die Probleme anzureißen. Im Übrigen hätte man auf die praktischen Probleme zu sprechen kommen sollen, um in einer Vorwegnahme der Verlegenheit, Peinlichkeit und Sprachlosigkeit auf diese Umstände vorzubereiten, um letztendlich die Sache, die Sache an sich und die Philosophie leichter zu machen. Man hatte sich vielleicht indirekt ein wenig Mut gemacht, aber niemand hatte beispielsweise geäußert: “Ich werde ganz schön verlegen sein!” Insbesondere hatte man nicht ausgesprochen, dass ihr Vorhaben einen ganz besonderen Rahmen darstellen würde und das besondere Experiment wenig über Sexualität im Allgemeinen aussagen konnte. Es wäre eine Überforderung der Philosophen gewesen, die Nutte wie einen guten Wein als Anregung zu nutzen, damit die Ideen besser sprudeln.
    Verlegenheit, aber auch eine gewisse nervöse und heitere Ausgelassenheit war an jenem Haschischabend aufgekommen, der im Übrigen auch eine Sonderrolle von Elfriede mit sich brachte, da sie die Joints gedreht hatte und auch an ihnen gezogen hatte. Wie vorauszusehen war, erwiesen sich die Joints als Reinfall, weil bis auf dem Professor und Elfriede niemand rauchte und der rauchte einmal am Tag Pfeife und noch seltener Zigarre. Elfriede war zur Gelegenheitsraucherin von Zigaretten und anderem geworden. So hatte auch der Professor, der es nicht gewohnt war, Lungenzüge zu