Elia Contini 03 - Das Verschwinden
Mörder, der ungesehen im Haus Rocchi auftaucht. Alles war klar. Und selbst Savis Selbstmord war vermutlich eine Inszenierung.
Contini stand auf und verstaute seine Kamera in ihrem Futteral. Er musste Kate um Mithilfe bitten, bevor sie in ihr Flugzeug stieg. Er schickte ihr eine Nachricht mit mehreren Namen und der Frage, ob einer davon ein Freier von Vicky gewesen sei. Es wäre kein Beweis im strengen Sinn, aber besser als nichts.
Ein Mörder für drei Opfer. Eine einzige Hand, die Sonia Rocchi, Peter Mankell und Luciano Savi umgebracht hatte. Dann war Savi tatsächlich unschuldig, er hatte keinen Mord auf dem Gewissen. Denn im Schatten, mit einem Verzug von wenigen Sekunden, agierte eine weitere Person, die mit großer Schläue vorging. Ein Mensch voller Angst, ein Mörder ohne Mitleid.
Contini überließ die Füchse sich selbst und kehrte hastig nach Corvesco zurück.
7
Der verwirrte Detektiv
Francesca. Schon von weitem sah er, als er aus dem Wald herabkam, ihr Auto in der Sonne blitzen. Alles auf einmal wie immer. So viele Schachzüge man auch vollführt, das Leben lässt einen nicht in Ruhe. Es war nur ein kurzer Moment der Waldeseinsamkeit gewesen: Jetzt hatte er einen Mörder aufzustöbern und eine Frau zu besänftigen.
Er trat aus dem Wald, ging rund ums Haus und sah sie auf der Veranda sitzen. Das Problem war, dass es jede Menge zu besprechen gab und sehr wenig Zeit. Er musste sofort etwas unternehmen, musste Natalia anrufen und warnen, die Polizei verständigen. Francesca klarmachen, dass die Probleme, die sie miteinander hatten, im Grunde nur Hirngespinste waren und nicht weiter wichtig.
»Ciao, Contini.«
Francesca trug einen kurzen dunkelblauen Rock und eine langärmelige Bluse derselben Farbe, dazu ein gelbes Halstuch, und sie blickte ihm mit einem halben Lächeln entgegen.
»Francesca«, sagte Contini. »Francesca, was machst du denn hier?«
»Schöner Empfang.« Francesca stand auf.
»Entschuldige.« Contini trat auf sie zu, und sie küsste ihn auf die Wange. »Ich habe einfach nicht mit dir gerechnet.«
»Nein?«
Sie bewegte kaum die Lippen für diese eine Silbe, und Contini hielt mitten im Aufsperren inne. Er drehte sich zu ihr um und sagte: »Aber ich habe gehofft , dich zu sehen.«
Sie traten ins Haus, Contini machte Kaffee. Er behandelte Francesca mit einer Behutsamkeit wie ein Archäologe, der ein außergewöhnliches Artefakt entdeckt hat.
»Du scheinst ziemlich nervös, Contini. Steckst du in der Klemme?«
»Ach, das ist diese Sache mit Natalia Rocchi, du weißt schon. Die macht mir zu schaffen.«
»In welcher Eigenschaft? Als Reporter?«
Contini war einen Moment lang unsicher. Dann sagte er: »Ich habe ein bisschen auf eigene Faust ermittelt.«
»Aha.«
»Ich wollte wissen, warum Natalia schweigt und warum sie an diesem Abend …«
Contini brach ab. Er machte nichts als Fehler. Francesca wollte wissen, wie es mit ihnen weitergehen sollte; seine detektivischen Anwandlungen kümmerten sie nicht. Zumal er doch selbst das Bedürfnis gehabt hatte aufzuhören, den Beruf zu wechseln. Sein Leben zu ändern.
»Aber wie geht’s dir denn? Arbeitest du, machst du Vertretungen oder …«
»Ein paar Stunden hier und da.«
»Gut, ich meine: gut für den Anfang. Und dann sind ja bald die neuen Stellenausschreibungen, oder?«
Unglaublich. Da plauderten sie Belanglosigkeiten wie zwei alte Schulkameraden. Contini schaffte es nicht, verlorenes Terrain gutzumachen.
»Mal sehen«, sagte Francesca. »Alternativ könnte ich die Zeit nutzen, um endlich richtig Englisch zu lernen.«
Continis Mobiltelefon gab einen Signalton von sich. Kate. Ehe er sich versah, hatte er es aus der Tasche gezogen und las die Kurzmitteilung. Mit einem Seitenblick auf Francesca sagte er: »Entschuldige, das ist dringend.«
Es war eine Bestätigung: Kate hatte den dritten von den vier Namen der Liste erkannt und erhärtete damit Continis Theorie. Folglich …
Aber jetzt war nicht der Moment, darüber nachzudenken. »Also du möchtest Englisch lernen?«, sagte er. »Das heißt, du machst einen Kurs …«
»Nein, ich dachte, ich gehe für ein Jahr in die USA.«
»Ach.«
Das verwirrte den Detektiv. Viel zu viel in zu kurzer Zeit.
»Aber ich hab mich noch nicht entschieden«, sagte Francesca. »Ich weiß nicht, ob ich wirklich will.«
Deshalb war sie zu ihm gekommen. Deshalb sah sie ihn an, als erwartete sie eine Antwort. Aber war das denn richtig, dass sie ihre Entscheidung von ihm abhängig
Weitere Kostenlose Bücher