Elia Contini 03 - Das Verschwinden
machte?
»Würdest du studieren? An der Uni?«
»Vielleicht finde ich eine Arbeit.«
Contini musste etwas sagen. Bis dahin war das Gespräch wie ein Trampolin gewesen, das ihn genau zu diesem Punkt befördert hatte.
Kein Wunder an einem Tag wie diesem, an dem es kaum Ruhe gab. Während Contini noch um Worte rang, läutete das Festnetztelefon. Das kabellose Mobilteil war irgendwo in Continis Wohnzimmerchaos untergegangen, weshalb er sich abermals bei Francesca entschuldigte und zu dem Wandapparat im Flur hinausging.
»Hallo?«
»De Marchi hier. Sind Sie das, Contini?«
»Ja.«
Francesca, die USA, seine Unschlüssigkeit – vor der Dringlichkeit der gegenwärtigen Situation trat das alles in den Hintergrund.
De Marchi war recht kurz angebunden. »Ich rufe wegen dieser Tukan-Geschichte an.«
»Ja, ich wollte Sie schon …«
Der Kommissär ging nicht auf ihn ein. »Ich habe etliche Zeugen gehört, von denen einer erwähnt, dass er in letzter Zeit auch von Ihnen kontaktiert wurde. Und nachdem Sie mir versichert haben, dass Sie sich raushalten …«
»Lassen Sie’s. Ich muss Ihnen was sagen, und es ist dringend.«
»Was denn? Wenn es wieder eine Ihrer …«
»Erst eine Frage. Kann es sein, dass Savi ermordet wurde?
»Ermordet?«, fragte De Marchi zurück. »Spielen Sie jetzt wieder den Polizisten?«
»Ich meine zu wissen, wer die drei Verbrechen begangen hat.«
»Haben Sie drei gesagt?«
»Es ist möglich, dass ein und dieselbe Person Sonia Rocchi, Mankell und Savi ermordet hat.«
De Marchi schwieg.
»Commissario? Sind Sie da?«
»Ja«, knurrte De Marchi. »Reden Sie.«
Ernesto Canova musterte unauffällig Giovannis Gesicht im Rückspiegel. Das Mädchen, sichtlich geistesabwesend, saß vorn neben ihm. Ernesto spürte deutlich die gespannte Atmosphäre, wusste aber nicht, was zwischen den beiden vorgefallen war.
Bis auf ein paar launische Anwandlungen ab und zu war Giovanni nie ein schwieriger Teenager gewesen. In den letzten Wochen aber schien er in einer anderen Welt zu leben. Er redete nie von dem Mädchen, doch Ernesto ahnte, dass sich sein Denken und Fühlen momentan nur um Natalia drehte. Die Wortkargheit, die unfreundlichen Antworten, die kopflosen Aktivitäten … Giovanni litt.
Ganz normal: er war siebzehn und verliebt.
Gleichwohl war die Geschichte mit Natalia Rocchi überschattet von Gewaltakten, von Mord und gefährlichen Geheimnissen. Was hatten die beiden vor – wollten sie nur einen sonnigen Tag für einen Ausflug ausnützen? Oder waren sie noch immer mit dieser scheußlichen Sache vom ersten August beschäftigt?
»Also, Leute, jetzt sagt mal, wie kommt ihr plötzlich auf die Idee mit Corvesco?«, fragte er, an niemanden im Besonderen gerichtet.
»Nur so«, sagte Giovanni. »Mal Luft schnappen.«
Also wandte sich Ernesto direkt an Natalia. »Frische Luft ist die beste Kur, wie?«
»Ja«, antwortete sie.
Teenager. Genauso gut kann man an eine Bunkerwand hinreden.
»Es ist ja schon bisschen spät, aber zum Glück ist es heute schön. Während ihr unterwegs seid, nutze ich die Zeit und mähe das Gras und bringe den Garten in Ordnung.«
»Brauchst du Hilfe?«, fragte Giovanni.
»Aber nein!« Ernesto lächelte. »Du hast doch heute Gesellschaft, oder? Nein, macht es euch nett, ihr zwei, und wenn ihr genug habt, findet ihr mich im Garten, ich bin sicher eine Weile beschäftigt.«
»Wie lang?«, fragte Giovanni sofort.
Ernesto suchte seinen Blick im Rückspiegel. »Ich weiß nicht. Warum, wo wollt ihr denn hin?«
Die Antwort kam von Natalia: »In den Wald. Ich will eine Stelle suchen, an die ich mich erinnere.«
8
Einen Ruf zu wahren
»Ich habe eine kleine Füchsin beobachtet.«
»Contini, erzählen Sie keine Romane, kommen Sie zum Punkt!«
»Lassen Sie mich ausreden, dann werden Sie sehen, dass es wichtig ist.«
De Marchi schnaubte, sagte aber nichts.
»Ich sage Ihnen gleich, dass ich keine Beweise habe, Commissario. Nur ein paar Eingebungen, wenn Sie so wollen. Ich habe also diesen Fuchswelpen beobachtet, der einen Beutesprung macht, wie es ihm seine Mutter vorgeführt hat, und um Haaresbreite zu spät kommt.«
De Marchi gab einen verdrossenen Laut von sich, den Contini überging.
»Dabei musste ich an Mankells Tod denken und habe mich gefragt: Hat die Polizei denn eine Spur gefunden? War Savi tatsächlich im Haus?«
Eine rhetorische Frage. De Marchi würdigte sie keiner Antwort.
»Vielleicht hat ja Savi nie einen Fuß in dieses Haus gesetzt«, sagte Contini. »In
Weitere Kostenlose Bücher