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Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Titel: Elia Contini 03 - Das Verschwinden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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noch da, und ich könnte zur Begleitung eine Polenta aufsetzen. Freilich ein frugales Mahl, aber wenn ihr euch damit begnügen wollt …«
    »Klar«, sagte Contini. »Wir teilen gern mit dir das Wenige, das du besitzest.«
    Giona, der leisen Spott witterte, musterte ihn finster, sagte aber nichts. Er schürte seinen Herd ein und forderte die Gäste auf, es sich bequem zu machen. Die Einrichtung seiner Felsenhütte schien ein Zusammenfluss verschiedener Zeiten und Orte: Neben einer Sitzbank aus der Eisenbahn gab es Leder- und Polstersessel, eine hölzerne Pritsche, überbordende Bücherregale aus Kistenholz, und die Wände schmückten allerlei Jagdtrophäen.
    Während er die Polenta rührte, nahm sich Giona Natalia vor.
    »Es ist mir zu Gehör gelangt, dass du in der Bredouille steckst, Mädchen.«
    Natalia blickte hilfesuchend zu Contini.
    »Lass mich alles erklären«, sagte der. »Natalia hat zurzeit Schwierigkeiten mit dem Sprechen.«
    »Weiß ich«, antwortete Giona. »Aphasie, richtig? So gehört, macht es einem fast Angst, aber ich bin auch oft ganze Tage lang völlig schweigsam … und das ist recht so, glaub mir.«
    »Dann beweise mir deine Schweigsamkeit«, sagte Contini, »und hör jetzt einfach mal zu.«
    Giona warf ihm einen weiteren finsteren Blick zu und hielt den Mund.
    Contini erzählte Natalias Wechselfälle von Anfang an. Er berichtete vom Tod des Vaters, der Entscheidung von Mutter und Tochter, nach der Beerdigung ein paar Tage in Corvesco zu verbringen, der Nacht des ersten August. Er benutzte dazu exakt die Worte, die Natalia gegenüber der Polizei gebraucht hatte. Dann erzählte er von der Flucht in die Wälder und der durch posttraumatischen Stress bedingten Amnesie.
    »Ihre Erinnerung kehrt jetzt nach und nach zurück«, schloss er.
    »Aber da ist ein Fehler«, fügte Natalia hinzu. »Ich kann mir nicht sicher sein.«
    Contini berichtete, wie er Natalia gefunden hatte, und erwähnte dabei auch ihren ungewissen rechtlichen Status in der unmittelbaren Zukunft und die Vormundschaftskommission, die eine Entscheidung fällen musste. Dann sprach er von den vagen Verbindungen zum Tukan, und währenddessen wurde ihm bewusst, wie haltlos die Anhaltspunkte im Grunde waren: eine Telefonnummer auf einem im Wald gefundenen Zettel, Natalias Erinnerung an den Namen des Nachtclubs, Kates Brief.
    »Es kann auch alles ein zufälliges Zusammentreffen sein«, sagte Contini. »Es könnte Dutzende Erklärungen geben. Am verdächtigsten scheint mir eigentlich, dass ich Luciano Savi begegnet bin, der sich im Wald herumgetrieben hat, als Natalia verschwunden war und alle sie suchten.«
    »Und im Postauto«, warf Natalia ein. »Die Hand, gestern, im Regen.«
    Sie stellte den Satz ohne nähere Erläuterungen in den Raum.
    »Möchtest du erzählen, was gestern passiert ist?«, fragte Contini.
    Natalia schien im Begriff, sich an etwas Wichtiges zu erinnern, wie die konzentrierte Falte zwischen ihren Brauen verriet. Aber der Moment verging, und sie zuckte hilflos die Achseln.
    Contini kam ihr zu Hilfe: »Ein anderes Problem sind die Sensationslüsternen, die den Ort eines Verbrechens besichtigen wollen. Je früher wir herauskriegen, was passiert ist, desto eher kann Natalia in ihr Leben zurück.«
    Giona hatte sich unterdessen, ohne seine Aufmerksamkeit von der Polenta abzuwenden, eine Zigarre angezündet, die er mit den Zähnen hielt, während er bedächtig nickend Natalia fixierte.
    »Und?«, fragte Contini. »Was sagst du?«
    »Ich denke nach«, antwortete Giona.
    Contini ließ ihm Zeit und bedrängte ihn nicht weiter. Sie aßen Polenta mit Hasenragout und leerten dazu eine halbe Flasche Merlot, dann traten sie vor die Hütte und setzten sich auf die Bank, Giona zündete seine Zigarre wieder an, Contini rauchte eine Zigarette. Der Himmel war wolkenlos, doch die Feuchtigkeit des großen Regens lag noch in der Luft, und über den Bergen jenseits der Talebene bildeten sich schon wieder die ersten Haufenwolken. Der alte Einsiedler spähte prüfend in die Ferne und sagte: »Besser wird sein, ihr steigt bald wieder ab. Kleine Herzstärkung gefällig?«
    Die »Herzstärkung« war ein Magenbitter, der nach Gionas Aussage aus einem »im Herzen der Alpen« versteckten Kloster stammte. Ein Nein akzeptierte er nicht. Während sie an den Schnapsgläschen nippten, sagte Giona: »Ich vermute, hier steckt irgendwo ein Verzug.«
    »Was meinst du?«, fragte Contini.
    Auch Natalia schien verdutzt. Giona wandte sich an sie: »Wenn du in

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