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Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Titel: Elia Contini 03 - Das Verschwinden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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stockte und sprach mühsam weiter: »Jetzt kann ich nicht reden.«
    »Macht nichts. Ist nicht wichtig.«
    Giovanni legte ihr eine Hand auf die Schulter, dieselbe Schulter wie zuvor der Mann, und Natalia zuckte zusammen, entspannte sich aber bald. Unterdessen kamen Mankell und Contini überein, dass es das Beste sei, wenn Natalia nach Lugano zurückkehrte.
    »Hier riskiert sie nur Spinner und Neugierige anzulocken«, sagte Mankell. »Es ist gefährlich, sie allein herumlaufen zu lassen, solange sie nicht ganz wiederhergestellt ist.«
    »Dann müssen wir aber den Richter Bonetti verständigen.«
    »Das stimmt.« Mankell nickte. »Ich rede mit ihm.«
    »Die Vormundschaftskommission muss sowieso entscheiden, wie es mit ihr weitergehen soll.«
    »Sie tagt übermorgen«, sagte Mankell. »Vorläufig kann sie vielleicht der Anwalt der Familie in seine Obhut nehmen.«
    Contini warf Natalia einen Blick zu. Dann sagte er: »Aber lassen wir das jetzt für den Moment! Wollt ihr noch einen Tee? Was anderes?«
    Mankell entschuldigte sich: Er müsse weiter, sagte er, er sei sowieso zu spät dran. Auch Giovanni und Natalia wollten nach Hause. Contini brachte sie zur Tür und lieh ihnen Schirme, und als Mankell und Giovanni ihre Mäntel anzogen, nahm er Natalia beiseite. »Mach dir keine Sorgen«, sagte er. »Alles wird gut, du wirst sehen.«
    Natalia nickte, aber überzeugt schien sie nicht.
    »Morgen, bevor du nach Massagno zurückkehrst, möchte ich dich noch einem Freund vorstellen. Vielleicht weiß er uns einen Rat.«

13
Der Sinn des Verzugs
    In den Bergen oberhalb von Corvesco lebt ein alter Einsiedler mit Namen Giona oder Jonas.
    Er ist eines Tages dort hinaufgestiegen und hat sich in einer Felsenhöhle wohnlich eingerichtet. Ab und zu besucht ihn jemand aus dem Dorf oder dem Tal. Man bringt ihm einen Laib Brot, Schokolade, auch einmal eine Flasche Merlot. Der alte Jonas sitzt dort oben und sieht dem dahinspringenden jungen Tresalti zu oder geht die Wanderwege ab, weil er wissen will, wo sie aufhören. Er hat einen Bart wie ein Ziegenbock, wasserhelle Augen und unzählige Runzeln.
    Um ihn aufzusuchen, muss man nördlich von Corvesco durch den Wald aufsteigen, erst zwischen Edelkastanien, dann zwischen Fichten und Tannen. Nach einer Bergwiese, einer Alp, wird das Gelände felsiger, hier muss man schon ein bisschen klettern und steigen, und am Ende überquert man den Tresalti … Meist steht man gerade mitten im Wildbach, wenn eine Stimme bellt: »Wer da?«
    Natalia zuckte zusammen, doch Contini beruhigte sie: »Keine Sorge. Das ist der Alte, er spielt gern den Witzbold.«
    Dann hielt er die Hände als Schalltrichter an den Mund und schrie: »Wir sind Steuerfahnder! Gibt’s was zu beichten?«
    In Jeans und Barchenthemd, auf dem Kopf eine uralte Mütze der Chicago Bulls und über der Schulter eine Jägertasche, kam Giona hinter einem Felsen am Flussufer hervor.
    »Sieh an, bringst du endlich auch mal ein hübsches Mädchen mit!«
    »Das ist Natalia«, sagte Contini. »Ich hab dir von ihr erzählt.«
    »Sehr erfreut.« Giona deutete eine Verbeugung an. »Darf ich’s wagen, Ihnen den Weg zu meiner Behausung zu weisen?«
    Der Alte hatte mitunter eine eigenartig geschwollene (er selbst sagte: literarische) Art zu reden und pflegte in seine Sätze gestelzte Wendungen, gelegentlich auch ausgestorbene Wörter einzuflechten. Auf seine Art war er wirklich gebildet, er las alle Bücher, deren er habhaft wurde, und die alten Zeitungen, die ihm Besucher mitbrachten. Contini besuchte ihn oft und erzählte ihm seine Sorgen, und Giona wusste meistens Rat, denn er hatte ein gutes Gespür, obwohl er fernab der Welt lebte … oder vielleicht gerade deswegen.
    »Weißt du, lieber Elia, dass du von recht blasser und magerer Komplexion erscheinst?«
    »Wenn du meinst.«
    »Bei Liebesleid muss man essen, spricht der Dichter.«
    Contini hütete sich, ihn zu fragen, welcher Dichter so sprach. Stattdessen erzählte er auf dem Weg zu Gionas Hütte von seinen jüngsten Fotosafaris zu den Füchsen. Natalia sah ihn verwirrt an, und Contini demonstrierte ihr pantomimisch die Tätigkeit des Fotografierens und sein liebstes Objekt, den Fuchs – lange Schnauze, spitze Ohren, Tasthaare, buschiger Schwanz …
    »Fuchs.« Natalia wiederholte das neu gelernte Wort, wie um es sich für die Zukunft einzuprägen. »Ein Fuchs. Verstehe.«
    Bei Gionas Unterkunft angelangt, bot ihnen der Alte Kaffee an und fragte, ob sie zum Essen bleiben wollten.
    »Hasenragout ist

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