Elia Contini 03 - Das Verschwinden
schlechtere.
»Ich hab hier mal eine Kate gekannt«, begann Contini, doch der Knabe fiel ihm sofort ins Wort: »Also ich kenne hier überhaupt niemanden, ich bin schließlich nicht jeden Abend hier.«
»Kate?«, mischte sich ein anderer Raucher ein, ein muskelstrotzender Kerl mit einer Krawatte in grellem Pink. »Ich glaube, ich weiß, wen du meinst. Aber sie ist inzwischen wieder zu Hause.«
»Wo ist das denn, ihr Zuhause?«
»Ich weiß, wo sie ist«, sagte ein anderer, noch muskulöserer Mensch mit kurzärmeligem Hemd, der einen tätowierten Schmetterling auf dem linken Oberarm trug. »Sie hat mir ihre Adresse dagelassen.«
»Hast du ein Glück!«, warf die pinke Krawatte ein.
»Nein, ich bin einfach nett …«
Das Schmetterlingstattoo musste aus einem Leben vor dem Bodybuilding stammen, denn von den prallen Muskeln waren die Flügel unnatürlich in die Länge und Breite gezogen. Der Besitzer des Schmetterlings trat seine Zigarette aus und sagte: »Na gut, ich bin dann weg … vielleicht schaue ich später noch mal vorbei.«
Pinke Krawatte und die anderen nickten zum Abschied, und der Schmetterling entfernte sich breitbeinig in Richtung Parkplatz. Contini tat, als habe er einen Anruf erhalten, und schlenderte mit seinem Telefon am Ohr davon.
Dank den schweren Bodybuilderschritten auf dem Kies hatte er den Mann bald geortet. Er erkannte seine dunkle Silhouette vor der hellen Einfassungsmauer und wollte auf ihn zugehen, doch wenige Schritte vor seinem Ziel stolperte er plötzlich, oder es zog ihm jemand den Boden unter den Füßen weg. Einen Sekundenbruchteil später, als es ihn in den Kies grätschte, war klar, dass ihm jemand ein Bein gestellt hatte.
Die Landung zerschrammte ihm die Handflächen und Ellenbogen. Rasch drehte er sich auf die Seite und spürte ein Atmen vor sich, gefolgt von einem heftigen Schmerz in der Schläfe. Er schlug mit dem Kopf auf dem Boden auf, und gleich darauf kam ein Schlag in den Nacken.
Jemand trat ihn mit Füßen.
Er rollte sich zusammen und bedeckte mit beiden Händen das Gesicht. Ein weiterer Tritt traf ihn von der Seite, dann packten ihn zwei Hände am Hemd und rissen ihn hoch, und eine Stimme sagte: »Los, aufstehen.«
Contini begriff, dass sie zu zweit waren: einer hinter ihm, der gesprochen hatte, und einer vor ihm, der ihn mit den Füßen traktierte. Schwankend rappelte er sich auf. Er hatte den Eindruck, der Mensch hinter ihm sei der Schmetterling, aber sicher war er nicht. Deutlich aber spürte er die Masse zweier gut durchtrainierter Körper und wich ein paar Schritte zurück. Doch ein Schlag landete in seinem Gesicht, und es riss ihm den Kopf zur Seite. Er drehte sich wieder zurück, und eine Faust rammte seinen Magen.
Sie verdroschen ihn stumm, ohne Verschnaufpause und ohne dass ein Wort fiel. Profis. Ein eingespieltes Team.
6
Der Mann, der nicht da war
Commissario De Marchi war unschlüssig, ob Contini sich über ihn lustig machte oder ob er tatsächlich so verschroben war, wie er sich aufführte. Erst rauschte er unter großartiger Hinterlassung eines Zehners ab, und dann stellte sich heraus, dass er sich zwei Biere hinter die Binde gegossen hatte. Zwei! – von denen eines im Tukan acht Franken kostete. Mit dem, das sich De Marchi selber genehmigt hatte, waren das vierundzwanzig Franken.
Wahrscheinlich war er einfach ein Schlitzohr, dieser Contini.
Der Kommissär dampfte innerlich und nahm sich vor, die Getränke als Spesen abzurechnen. Er ließ einen weiteren Zehner und einen Fünfer auf dem Tisch liegen und steuerte dann den erhöhten Teil des Lokals an. Was sich hinter diesem Vorhang verbarg, schien ihm das Herz des Tukans zu sein.
Doch ehe er dort anlangte, schob sich der Vorhang von selber beiseite, und heraus kam Savi. Mit seidig aufgeplüschten Koteletten, doch umwölkter Miene.
»Brauchen Sie was?«, schnauzte er ihn an.
»Kann man so sagen«, antwortete De Marchi, auf ihn zutretend, und schlüpfte dreist durch den Vorhang.
»Entschuldigen Sie, Commissario!« Savi kam hinter ihm her. »Finden Sie nicht, dass Sie übertreiben?«
De Marchi zog den Vorhang vor Savis Privat-Séparée ordentlich zu. Dann drehte er sich um und pflanzte sich vor Savi auf. Auf dem Tischchen an der Wand brannte eine rote Kerze.
»Wir ermitteln gegen dieses Lokal.«
»Seit wann interessieren Sie sich für Nachtlokale? Haben Sie nicht einen Mord …«
»Richtig, ich interessiere mich für den Mord an Sonia Rocchi und Peter Mankell.«
»Und was habe ich damit zu
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