Elia Contini 03 - Das Verschwinden
zu erzählen, was passiert ist. Allerdings habe ich jetzt deine Adresse und Telefonnummer und weiß, wie ich dich notfalls erreiche.
Kate
Contini nahm einen Zug von der Zigarette und ließ langsam den Rauch entweichen. Dann faltete er den Brief wieder zusammen und zog aus einer anderen Tasche den Zettel, den er unweit des Hauses Rocchi im Wald gefunden hatte.
chtig Te numme n
----
Kate (na l) – 079 80 14
(Anr Wg tigung)
L. »Tukan«: 091 55
Tel. Luciano i: 4
änderamt: 8 21
Hier waren also die Berührungspunkte. Das Tukan, der Zettel, den er auf Natalias Fluchtweg gefunden hatte, und Kate, die endlich konkrete Gestalt annahm. Und Luciano Savi belastete. Contini wollte der Frau keinen Ärger machen. Ein paar Fragen über mehrere Ecken hatten ausgereicht, um sie aufzuschrecken; wenn er jetzt die Polizei hinzuzog, würde sie gar nichts mehr sagen. Er faltete auch den Zettel wieder zusammen und steckte ihn ein. Minutenlang saß er nur da und rauchte.
Contini hatte einen gewissen Informationsvorsprung gegenüber der Polizei. Kates Briefe zum Beispiel: Davon wusste die Polizei nichts, so wenig wie von Savis Erkundungsgängen im Wald von Corvesco kurz nach Sonia Rocchis Tod. War es richtig, nichts zu sagen, oder sollte er mit De Marchi reden?
Noch nicht, dachte er. Noch nicht.
Bevor er sich zurückzog, wollte er noch einen Versuch machen. Er war überzeugt, dass er gegenüber Savi ein Druckmittel hatte: Er konnte ihm drohen, zur Polizei zu gehen, wenn Savi nicht auspackte. Die Wahrheit war dort irgendwo im Wald, davon war Contini überzeugt, aber wenn Natalia nicht wiederkommen, sich nicht mehr erinnern wollte, blieb nichts anderes übrig, als sich Savi vorzuknöpfen.
Vielleicht war er der Mörder?
Contini glaubte es nicht, er schien ihm nicht der Typ dafür. Aber mit Sicherheit wusste Savi mehr, als er sagte.
5
Profis
Die Autos kamen mit aufgeblendeten Scheinwerfern. Um auf den Parkplatz einzubiegen, musste man kurz Gas geben und eine kleine Geländestufe überwinden, eine Art Erdwall, und dabei stachen die Lichtstrahlen der Autoscheinwerfer für einen Moment in den Himmel. Es waren dicke Karossen mit getönten Scheiben, wie Raubtiere kamen sie daher.
Contini parkte seinen Wagen ein paar Hundert Meter weiter am Straßenrand und überquerte zu Fuß den Parkplatz, einen staubigen Innenhof, der auf der anderen Seite an ein unbewohntes, ziemlich heruntergekommenes Haus grenzte; gegenüber war eine Tankstelle. In der Ferne sah man die vorbeihuschenden Lichter der Autobahn und dahinter, auf dem Hügel, die Burgen von Bellinzona.
Das Tukan war von der Kantonsstraße ein Stück abgerückt und verbarg sich hinter einer Hecke. Ein kurzer Fußweg führte zum Eingang, wo man nach Durchsuchung durch einen Sicherheitsmenschen eingelassen wurde und in einem Vestibül, von dessen Wänden die Farbe blätterte, seine Garderobe abgeben konnte.
Hinter einer mächtigen Stahltür begann die Party.
Auf der erhöhten Tanzfläche in der Mitte des Saals wurde getanzt, aber die meisten Gäste saßen ringsum an den Tischchen. Contini suchte sich einen abgelegenen Platz, bestellte ein Bier und sah sich diskret um. Bevor er sich Savi vornahm, hätte er gern ein paar Takte mit einem der Mädchen geplaudert. Wie erwartet, brauchte er nicht lang zu warten.
»Bist du ganz allein heute Abend?«
»Jetzt sind wir schon zu zweit.«
»Spendierst du mir einen Drink?«
Contini forderte sie auf, Platz zu nehmen. »Kann ich dich erst was fragen?«
Die Frau runzelte die Stirn. Sie war um die dreißig, hellhäutig, die Augen von einem verwaschenen Blau. Über einem Minirock trug sie ein paillettenfunkelndes Top.
»Warum?«
»Ich war schon mal hier, und damals hab ich eine kennengelernt, die hieß Kate.«
»Und ich bin Ellen. Kriege ich jetzt was zu trinken?«
»Ist Kate nicht mehr da?«
Ellen war beleidigt.
»Gleich bestell ich dir was«, sagte Contini, »aber zuerst sag mir, was mit Kate ist. Wir haben uns gut verstanden, sie und ich.«
»Ich kenne sie nicht.«
»Ist sie krank geworden? Wie Vicky?«
Ellens Miene wurde abweisend. »Was weißt du von Vicky?«
Contini hatte ins Blaue hinein vermutet und ins Schwarze getroffen.
»Kate hat mir von ihr erzählt. Sie hatte große Angst. Und weil ich Arzt bin, dachte ich, dass ich ihr vielleicht helfen kann.«
»Bist du etwa der Arzt, der die Fotos haben wollte?«
Contini registrierte die Information befriedigt. Noch ein Berührungspunkt zwischen der tadellosen Familie Rocchi und
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